Bochum. Im vergangenen Jahr wurden in Bochum 946 Ehen geschieden, 150 weniger als noch ein Jahr zuvor. Die Hauptgründe sind entweder ein neuer Partner oder Unzufriedenheit mit der Rollen- und Aufgabenverteilung. Auffällig sei laut Amtsgericht, dass sich häufig Frauen scheiden lassen würden.
Die wohl traurigsten Flure des Bochumer Amtsgerichts sind dort, wo Ehepaare geschieden werden. Im vergangenen Jahr haben die Familienrichter 946 Trennungen besiegelt. Das sind zwar 150 Scheidungen weniger als noch im Jahr davor. Allerdings hat auch die Einwohnerzahl abgenommen.
„Ein neuer Partner ist ein Haupttrennungsgrund“, teilte das Amtsgericht auf Anfrage mit. Überwiegend werde die Scheidung von Frauen eingereicht. Ein weiterer Grund sei die Unzufriedenheit mit der Rollen- und Aufgaben-Verteilung. Motto: „Ich muss alles erledigen: Haushalt, Kinder, manchmal auch noch einen Beruf. Wenn dann auch noch die Liebe nachlässt, sagen sich einige Frauen: Dann komme ich allein besser klar.“
Trotz des Zerwürfnisses laufen Scheidungen „ganz, ganz überwiegend“ einvernehmlich ab, sagt das Amtsgericht. Meist fänden vor dem Familiengericht nur „Zehn-Minuten-Termine“ statt. Es sei „selten“, dass jemand nach einem Trennungsjahr sage, er wolle sich nicht scheiden lassen.
Viele Ehen werden schon nach drei, vier fünf Jahren geschieden
Aber auch wenn die meisten Scheidungen von beiden Seiten gewünscht wird, gibt es immer noch Streitpunkte: Häufig gehe es um das Umgangsrecht für die Kinder. Oft seien diese Beziehungen so schlecht, dass keine Absprachen getroffen und eingehalten werden. Auffallend aus Sicht des Amtsgericht ist auch, dass viele Ehen bereits „nach drei, vier oder fünf Jahren“ geschieden werden. „Manchmal heiraten die Leute auch recht schnell und merken dann, dass sie nicht zueinander passen.“
Ähnlich sieht dies der Bochumer Rechtsanwalt Jürgen Widder, Vorsitzender des Anwaltsvereins und Fachmann für Familiensachen: Die betroffenen Menschen seien vielleicht mit zu großen Erwartungen in die Ehe gegangen - ohne die Kompromissbereitschaft, die ein Zusammenleben erfordere. „Das wird manchmal in der Heiratseuphorie übersehen.“ Hinzu kommt: Eine Scheidung sei heute - anders als früher oftmals - „kein Makel“ mehr und meist auch keine wirtschaftliche Katastrophe.
Frauen sind "häufiger konsequent"
Widder sieht auch in einem anderen Punkt eine Tendenz: Frauen seien bei einer Ehekrise „häufiger konsequent“ als Männer. Motto: „Wenn Schluss, dann richtig.“ Männer würden sich eher mit der Situation arrangieren, wenn auf ehelicher Ebene nichts mehr laufe - und sich dann in eigene Bereiche zurückziehen.
Auch wenn die meisten Ehen einvernehmlich getrennt werden, hat Widder beim Scheidungsrichter viele Dramen erlebt: „Da wo es richtig kracht, sind sehr große Verletzungen da, die es schwer machen, die juristische und wirtschaftliche Abwicklung sachlich hinzunehmen.“
1409 Hochzeiten im vergangenen Jahr
Die Gerichts- und Anwaltskosten bei einer Scheidung betragen bei mittlerem Einkommen 1500 bis 2000 Euro. Je mehr sich die Parteien aber über die Folgen der Trennung streiten (Kinder, Besitztümer), desto teurer wird es. Finanzschwache Menschen können für eine Scheidung Verfahrenskostenhilfe beantragen. Rechtsschutzversicherungen greifen bei Scheidungen nicht, höchstens, je nach Vertrag, für eine Erstberatung.
In Bochum wurde im vergangenen Jahr aber auch kräftig geheiratet: 1409 Paare haben sich das Ja-Wort gegeben.