Bochum. .
Das kennen viele Jugendliche: Schock-Videos, je abgedrehter, je brutaler die Inhalte, das Internet und leider auch die Smartphones vieler Schülerinnen und Schüler sind voll davon. Lehrer und Eltern wissen ein Lied davon zu singen. Doch diesmal ist es anders. Die 250 Mädchen und Jungen der Oberstufe des Graf-Engelbert-Gymnasiums sind in ihrer Aula gefesselt – obwohl sie bestimmt Cooleres gesehen haben, mögen manche gedacht haben.
Doch es ist der Blick in die eigene Zukunft, der die meisten von ihnen stumm macht, einige kämpfen mit den Tränen, ein paar gehen sogar aus dem Raum, werden betreut von Notfallbetreuern – und dabei waren sie vorgewarnt. Es ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft, wie sie sich diese 15-, 16-, oder 18-Jährigen nicht ausmalen. Es ist „Crash-Kurs-Zeit“.
Polizei geht neue Wege
Seit über einem Jahr geht die Polizei in Nordrhein-Westfalen neue Wege, um auf die Gefahren von Alkohol und zu schnellen Fahrens gerade von jungen und jüngsten Fahrern aufmerksam zu machen. Mit der Sprache der Jugendlichen, mit der Sprache der Bilder und den unmittelbaren grausam-traurigen Schilderungen eines Feuerwehrmannes, eines Notarztes, eines Polizisten und eines Notfallseelsorgers wird der Augenblick eines womöglich tödlichen Unfalls zurückgeholt in die Wirklichkeit dieser gut gefüllten Schulaula.
Es geht unter die Haut, wenn der 28-jährige Feuerwehrmann Kai Stein schildert, wie es aussah, als er am 9. Dezember 2005 zur Wuppertaler Straße gerufen wurde. An diesem Tag starb die 15-jährige Christine. Ihr Freund hatte sie mit dem Auto von der Schule abgeholt. Der 19-Jährige überlebte. Kai Stein spricht es aus: „Er hat sie getötet.“ Der Feuerwehrmann, dem die Erinnerung und die wieder an die Wand geworfenen Bilder des total zerstörten Wagens sichtlich nahe gehen, bringt die ganze Schulaula zu diesem nebeligen Dezembertag als Christine starb. Keine Hilfe war möglich. Weinend kamen Eltern, Freunde. „Diese Bilder vergisst niemand, der an diesem Tag dabei war.“
Beispiele von grausamen Unfällen
Die Schilderungen der Helfer, es sind mehrere Beispiele von grausamen Unfällen aus Bochum, Herne und Witten, sind unterbrochen von Schockszenen, die junge Leute in Autos zeigen, die plötzlich aus dem Leben gerissen werden, getötet in Blechhaufen, die vielleicht mal zum PS-Protzen dienten. Ganz zu Beginn haben die Mädchen und Jungen ihre Träume auf bunte Luftballons geschrieben, Kinder möchten sie haben, reisen, einen Beruf, Liebe, eine Familie – einige hatten da noch gewitzelt: und die „Weltherrschaft“ als Traum notiert. Doch die Spaßmacher sind am Ende der gut einstündigen Veranstaltung ganz ruhig geworden. Denn da sticht Roland Sentheim, der Moderator und Verkehrssicherheitsberater der Bochumer Polizei unvermittelt in den dicken grünen Ballon, Peng, da sind die Lebensträume zerplatzt.
Nach dem Crash Kurs musste Notfallseelsorger Hajo Witte noch zu so etwas wie einem Einsatz: Einige Schülerinnen und Schüler konnten es nicht aushalten bis zum Schluss, weinten und verließen die Aula. Helfer kümmerten sich um sie, boten die Gelegenheit zum Gespräch, zum Verarbeiten der schrecklichen Bilder.