Witten. .

Lange Arbeitszeiten, gerne auch mit Überstunden, stehen heute in vielen Jobs auf der Tagesordnung. Bei gängigen Öffnungszeiten von neun bis maximal 20 Uhr ist der Friseurbesuch da für viele Arbeitnehmer an den meisten Wochentagen undenkbar. So erging es vor gut sieben Jahren auch Uli Köllner. Da entdeckte der Geschäftsmann die Marktlücke.

„Als meine Haus- und Hoffriseurin Claudia mir damals gesagt hat, dass sie mich um kurz vor sechs nicht mehr drannehmen kann, habe ich ihr kurzerhand gesagt: ,Weißte was, ich mache meinen eigenen Laden auf. Da kann man dann bis Mitternacht noch reingehen“, erinnert sich Uli Köllner.

Aus der spontanen „Trotzreaktion“ wurde eine feste Geschäftsidee. Das für seinen Zweck perfekte Ladenlokal fand er an der Hattinger Straße. Kurzerhand schloss er seine Eventagentur und eröffnete – „ganz ohne Vorwissen“ – seinen ersten eigenen Salon „Geht’s noch?!“.

Über 300 Friseure im Stadtgebiet

In Bochum gibt’s über 330 Friseure. Wenn man da als Fachfremder den 331. Laden aufmacht, muss man schon verrückt sein“, scherzt Uli Köllner. Doch der Sprung ins kalte Wasser zahlte sich aus: Heute besitzt der Bochumer zwei Filialen im Stadtgebiet. Von 12 bis 24 Uhr sorgen seine Mitarbeiter dafür, dass Kunden auch nach stressigen Arbeitstagen noch ausgiebig Zeit haben, um sich die Haare waschen, schneiden und föhnen zu lassen. Mit frischem Look auf der nächsten Morgenkonferenz auftauchen? „Jetzt kein Problem mehr“, sagt Köllner. Wenn Damen gleich nach der Arbeit kämen, bleibe auch genügend Zeit, um sogar längere Kreativeingriffe mit Farbe oder Extensions vorzunehmen.

Die meisten Kunden sind zwischen 30 und 50 

„Zuerst dachte ich, dass bestimmt nur junge Leute noch zu später Uhrzeit kommen“, sagt Uli Köllner. „Aber die meisten Kunden sind zwischen 30 und 50. Das ist querbeet gemischt: vom Rechtsanwalt bis zum Punker.“ Sie alle nutzten gern den Vorteil, sich abends entspannt und ohne Anschlusstermine verschönern zu lassen. „Wer hat schon Lust, nach einer langen Arbeitswoche noch seinen Samstag zu opfern und in einen überfüllten Laden zu gehen?“

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis: „Bei uns sieht es gemütlicher aus, und eine Getränke-Flat ist im Preis inbegriffen.“ Klar, dass da gerade in der Filiale im Bermuda3Eck auch die feierwütige Laufkundschaft vorbeischaue, um sich „vor der anschließenden Party noch ‘aufpimpen’ zu lassen“, weiß Uli Köllner.

Die Inneneinrichtung der Marke Eigenbau erinnert denn auch eher an eine Strandbar als an einen herkömmlichen Friseursalon. Ausgediente Surfboards mit LED-Lampen und eine Hinterhofterrasse als Wartezone versprühen Urlaubsflair. „Wer abends zum Friseur geht, hat doch keine Lust auf eine klinisch reine 08/15-Atmosphäre“, hat Uli Köllner festgestellt. Passend dazu wird jeder Kunde sofort geduzt. „Manche müssen sich da erst dran gewöhnen. Aber sie sollen sich gleich wie im Wohnzimmer fühlen. Stammkunden wissen dann auch schon, wo der Kühlschrank mit dem Bier steht.“

Gewöhnungsbedürftig waren für die Angestellten zunächst auch die Arbeitszeiten im rotierenden Schichtdienst. „Klar, dass das Sozialleben etwas leidet, wenn man manchmal erst gegen 2 Uhr nach Hause kommt. Da liegen die Freunde ja schon wieder im Bett“, sagt Friseur Torben Schwanke (32). Aber: „Später anfangen gefällt mir gut. Ich schlafe morgens lieber aus.“

Und die Kunden? „Die können fürs Wochenende was Schöneres planen als Friseurtermine.“