Bochum/Münster. . Nach der Kritik an den beschleunigten Vermittlungsverfahren in der Organspende verteidigen Transplantationsärzte das Vorgehen. Der Eindruck, es werde an Wartelisten vorbei transplantiert, sei falsch und stelle das Organspendewesen unter unangemessenen Manipulationsverdacht.

Transplantationsmediziner der Kliniken in NRW wehren sich gegen den Eindruck, im Organspendewesen würden immer mehr Organe an Wartelisten vorbei vermittelt. Das sogenannte beschleunigte Verfahren, das für die Vermittlung der Organe älterer oder kranker Spender angewendet wird, für die es nur wenige geeignete Empfänger gibt, kommt zwar immer häufiger zur Anwendung, hier von einer grundsätzlichen Manipulationslücke auszugehen, halten die Mediziner allerdings für unangemessen.

Professor Richard Viebahn, Direktor des Transplantationszentrums am Knappschaftskrankenhaus Bochum Universitätsklinik, ärgert sich über die aktuelle Diskussion: „Bislang ist niemand auf die Idee gekommen, Medizinern hier kriminelle Machenschaften vorzuwerfen. Wir fällen unsere Entscheidungen mit ärztlichem Sachverstand – das ist auch eine Frage des Vertrauens.“ Vertrauen, das er durch die „unangemessene Berichterstattung“ beschädigt sieht.

Entscheidung nach Vielaugenprinzip

In Bochum werden zwischen 30 und 50 Prozent aller Pankreas-Transplantationen im beschleunigten Verfahren durchgeführt. Wird eine Niere verpflanzt, spiele etwa das Alter oder der Body-Mass-Index des Spenders eine Rolle dafür, wie gut die Erfolgsaussichten sind, dass dieses Organ Leben retten kann. „Es könnte sein, dass es auf der Warteliste jemanden gibt, bei dem ein nicht-erstklassiges Organ trotzdem erstklassig arbeiten wird“, erklärt er das Vorgehen. Die gestiegene Anzahl von Organen, die beschleunigt vergeben werden, ist für ihn jedoch kein Hinweis auf ein manipulationsanfälliges System.

 Professor Dr. Richard Viebahn, Direktor des Transplantationszentrums am Knappschaftskrankenhaus Bochum Universitätsklinik.
Professor Dr. Richard Viebahn, Direktor des Transplantationszentrums am Knappschaftskrankenhaus Bochum Universitätsklinik. © WAZ FotoPool

Vielmehr zeige dies, dass man über die Expertise verfüge, auch mit Organen alter oder kranker Patienten Leben zu retten. „Ansonsten“, so schätzt er, „könnten wir 20 bis 40 Prozent weniger transplantieren.“ Die Diskussion sei fatal, schließlich gebe es schon jetzt geringe Spendenbereitschaft. „Wenn wir mehr Organe hätten, wäre es viel leichter, für möglichst viele unserer Empfänger passende Organe zu finden“, so Viebahn.

Das Universitätsklinikum Münster sorgt sich ebenfalls, dass durch die aktuelle Debatte die Spendenbereitschaft sinkt und in Folge mehr schwer kranke Menschen sterben. Auch unter Bezug auf die aufgedeckten Skandale in Göttingen und Regensburg appelliert Prof. Dr. Norbert Röder, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Münster: „Bitte haben Sie Vertrauen in das deutsche Transplantationswesen.“ Ein solch abgesichertes und transparentes System wie hierzulande finde man nur in wenigen Ländern der Erde. An seiner Klinik seien stets mehrere Ärzte an der Entscheidung zur Transplantation und der Einstufung der Dringlichkeit beteiligt.