Berlin. Die Krankenhäuser in Deutschland wählen die Empfänger von Spenderorganen immer häufiger selbst aus. Damit steigt die Sorge, dass bei der Organvergabe Manipulation im Spiel sein könnte. Auch Ärzte finden diese Entwicklung bedenklich. Sie fordern: Der Sonderfall dürfe nicht zur Regel werden.

Die Krankenhäuser in Deutschland wählen die Empfänger von Spenderorganen immer häu­figer selbst aus. Damit steigt die ­Sorge, dass bei der Organvergabe Manipulation im Spiel sein könnte.

So werden inzwischen jedes vierte Herz und gut 37 Prozent aller ­Lebern direkt vermittelt. Vor zehn Jahren waren es jeweils weniger als zehn Prozent. Dies geht aus der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des Abgeordneten Harald Terpe (Grüne) hervor.

Besonders deutlich ist der Anstieg in NRW. Das belegen Zahlen der Organvermittlungsstelle Eurotransplant, die der WAZ Mediengruppe vorliegen. Wurden im Jahr 2002 nur 14 Lebern im „beschleunigten Verfahren“ weitergegeben, waren es 2011 bereits 125 – das war jede zweite Leber.

Eurotransplant vermittelt Organe in sieben europäische Staaten

Im Normalfall vermittelt Eurotransplant Organe in sieben Staaten Europas. Transplantationszentren können Organe aber an der offiziellen Warteliste vorbei in Eigenregie vergeben, wenn drei andere Kliniken – bei Nieren fünf – nicht zugreifen. Dies kann passieren, wenn der Spender alt oder krank und das Organ damit schwer vermittelbar ist.

Eugen Brysch von der Patientenschutzorganisation Deutsche ­Hospiz Stiftung sieht in der ­beschleunigten Vergabe jedoch eine „Einflugschneise“ für Manipulation. „Ich befürchte, dass Organspender kränker dargestellt wurden, als sie es tatsächlich waren“, sagte Brysch zur WAZ Mediengruppe . Anders könne er sich den ­starken Anstieg nicht erklären.

Zunahme bei der schnellen Vermittlung irritiert Ärzte

Die Zunahme bei der schnellen Vermittlung irritiere erheblich, sagte der Präsident der Bundesärzte­kammer, Frank Ulrich Montgomery, dem Tagesspiegel. Der Sonderfall dürfe nicht zur Regel werden.

„Die Manipulations-Risiken sind der Bundesregierung seit mindestens 2009 bekannt“, erklärte Terpe – mit Blick auf eine Studie des Iges-Instituts für das Gesundheitsministerium. Der Report sprich von einer „Manipulations-Anfälligkeit“ vor ­allem bei Lungen- und Herztransplantationen. „Die Regierung hat bislang nichts unternommen, um mehr Transparenz beim so genannten beschleunigten Verfahren zu schaffen und die Missbrauchsan­fälligkeit zu reduzieren“, so Terpe.

Das Gesundheitsministerium aber sieht vorerst keinen Handlungsbedarf und begründet den ­Anstieg mit den immer älter werdenden Spendern – und damit mehr schwer vermittelbaren Organen.