Bochum. So, genau so hatten es sich die Fans gewünscht. Ein lauer Sommerabend. Ein, nun ja, fast volles Stadion. Und ein Künstler, dessen Heimspielfreude schier überbordend wirkt. Bochum tanzt. Bochum träumt. Bochum vergießt ein Tränchen: Bochum huldigt Herbert Grönemeyer.
Herbert Grönemeyer ist wieder zuhause: Drei Jahre nach seinem letzten Stadiongastspiel 2009 (damals mit den Bochumer Symphonikern zugunsten des Konzerthauses) kehrte der 56-Jährige am Dienstagabend an die Castroper Straße zurück. Zwar ist die Ausverkauft-Garantie früherer Jahre offenbar abgelaufen: Rund 1000 Plätze blieben leer. Immerhin: Mit 26.000 Besuchern war es das größte Konzert des Jahres in Bochum.
Und eines der stimmungsvollsten dazu. Mit „Schiffsverkehr“, dem Titelsong seines aktuellen Albums, startet Grönemeyer um 20.20 Uhr zu einer musikalischen Zeitreise. Vergilbte Tour- und 4630-Bochum-Shirts dokumentieren: Etliche Fans halten Grönemeyer seit dessen musikalischen Anfängen in den frühen 80ern die Treue. Vor allem sie singen, klatschen und tanzen bei Klassikern wie „Musik nur wenn sie laut ist“, „Was soll das““, „Mensch“ oder „Alkohol“ euphorisch mit. Zur Freude der Ruhries wird sogar die Uralt-„Currywurst“ serviert. Wo schmeckt sie besser als bei uns?
Ein 30-Meter-Steg führt Herbie von der Bühne mitten in den Innenraum. Mitten in seine Fans. Bei „Männer“ scheint die Arena zu explodieren. Hochgefühle tief im Westen, Glückseligkeit, wie es sie im Stadion zuletzt kurz vor Weihnachten bei der 1:0-Führung des VfL gegen die Bayern im DFB-Pokal gegeben hat. Auch Herbert strahlt. Reglos, scheinbar fassungslos genießt er den brausenden Applaus; 30 Sekunden; eine Minute. „Das“, flüstert er, „erlebt man nicht allzu oft im Leben.“
Appell für Erhalt des Opel-Werks
„Bochum“, die VfL- und Stadthymne schlechthin, verbindet Grönemeyer mit einem kämpferischen Appell für den Erhalt des Opel-Werkes. Der GM-Konzern dürfe nicht glauben, Bochum „für blöd verkaufen zu können“. „Solidarität mit allen Opelanern! Der Standort erhalten bleiben!“ Das Stadion steht. Mut tut gut. Danke, Herbert.
Gerade noch ein Tollhaus, wird es ruhig im weiten Rund, als Grönemeyer seine Balladen anstimmt. Traurig begleiten die Fans ihr Idol auf dem melancholischen Abschieds-„Weg“. Sehnsüchtig lassen sie die „Flugzeuge im Bauch“ abheben. Gänsehaut-Gefühl bei „Halt mich“, dem vielleicht schönsten Liebeslied aus der Feder Grönemeyers. Große Gefühle, hier, wo das Herz noch zählt.
„Zuhause ist es am schönsten“
Immer wieder sucht Herbert den Kontakt zu „seinen“ Bochumern. „Schön, dass es euch gibt“ und „Zuhause ist es am schönsten“, schmeichelt er. „Ich habe mir viel davon bewahrt, was ich hier gelernt habe“, sagt er mit ernster Miene. Selbstironie ist ihm nicht fremd: „Manche Menschen nehmen meine Texte so ernst, dass ich es selber kaum fassen kann.“
Um 22 Uhr ist Schluss. „Liebe liegt nicht“ markiert nach 100 Minuten das Ende des Programms. Doch alle wissen: Bei Grönemeyers geht’s jetzt erst los. 75 Minuten später – längst lässt die Dunkelheit die Lichteffekte und Video-Einspieler zur Geltung kommen – marschieren die 26 000 euphorisch aus dem Stadion. Elf (!) Zugaben, fast als ein zweites Konzert, hat Grönemeyer gewährt: den Dauerbrenner „Mambo“ ebenso wie den frenetisch gefeierten WM-2006-Song „Zeit, dass sich was dreht.“
„Bochum“ im Doppelpack live vor der Ostkurve
Krönender Höhepunkt indes ist „Bochum“. Richtig gelesen: Grönemeyer (mit VfL-Schal) stimmt die Hymne als Zugabe zum zweiten Mal an. Genauer: die Besucher, die jede Zeile mit leuchtenden Augen mitsingen.
„Bochum“ im Doppelpack, live vor der Ostkurve. Mach’s mit ‘nem Doppelpass jeeeeden Gegner nass. Glückauf, Bochum. Emotionaler geht’s kaum.
So, genau so hatten es sich die Fans gewünscht.
Heimspiel für Herbert
Irritationen wegen Konzert-Absagen aus „Sicherheitsgründen“
„Aus Sicherheitsgründen finden hier keine Konzerte mehr statt.“ Für heftige Irritationen sorgte die Ankündigung Herbert Grönemeyers, sein Auftritt am Dienstagabend sei „der letzte im Stadion“.
Vor 26.000 Fans hatte der Sänger das Ende seiner 1985 begonnenen Open-Air-Gastspiele in Bochum verkündet. „Ein totales Missverständnis“, bedauerte Veranstalter Klaus Goik am Mittwoch auf Anfrage unserer Redaktion. Seine Erklärung: Ein Techniker (150 sind während der Tour aktiv) habe Grönemeyer erzählt, dass wegen gestiegener Sicherheitsauflagen künftig weniger Besucher in den Innenraum dürften. Dies mache die Stadionkonzerte in Bochum unrentabel und somit unmöglich. „Alles Blödsinn“, betont Goik. Warum Grönemeyer die Falschmeldung vor den Fans verkündete, sei „rätselhaft“.
Auch die Stadt weist die Darstellung Grönemeyers scharf zurück. „Die Aussage entbehrt jeder Grundlage“, entgegnet Dezernentin Birgitt Collisi. Das Stadion sei nach dem Umbau zur Frauenfußball-WM 2011 „sicherheitstechnisch in einem hervorragenden Zustand. Es gab weder im Vorfeld noch am Konzerttag irgendwelche Bedenken seitens der Verantwortlichen. Wir könnten hier jeden Tag Konzerte stattfinden lassen“.
150 Helfer arbeiten für Grönemeyer
