Der verdient gekrönte Casper lässt beim 1LIVE Konzert die Turbinenhalle beben

Bochum. . Casper gewinnt mit „Xoxo“ die 1LIVE Krone für das beste Album. Auf dem Krone-Konzert in der Turbinenhalle der Bochumer Jahrhunderthalle zeigte er, dass er noch einen weiteren Titel verdient hätte - den als bester Live-Act.

Als er am Donnerstag Abend die Bühne der Turbinenhalle der Jahrhunderthalle betrat, war seit wenigen Augenblick klar: Sein Album „Xoxo“ wurde zum besten Album 2011 gewählt. Obwohl bei Casper, dem frisch gekrönten, von einfachem Betreten nicht die Rede sein kann - stürmen trifft das schon eher. Draußen stürmte es, drinnen war es ein musikalischer Orkan. Ein Schritt von dem Wahl-Bielefelder entspricht drei Schritten manch seiner Rap-Kollegen, denen er nicht nur in Sachen Bühnenenergie überlegen ist. Casper, oft wegen seiner Texte als Emo-Rapper verschrien, hat das Ghetto-Getue und die verbale Aggressivität von Bushido und Co. gar nicht nötig, um glaubwürdig und erfolgreich zu sein.

Auch in Bochum auf der Bühne der Turbinenhalle besticht er nicht durch Publikumsbeschimpfungen, sondern eher durch Nähe. Und Stimmgewalt. Auch wenn wohl niemand genau definieren kann, wie das genau klingt, was seine Stimme da macht. Brachial, rau und grob beschreibt vielleicht am ehesten, was in der ehrwürdige Turbinenhalle widerhallt, unterstützt von einer Band, die die spannende Akustik des Raumes perfekt nutzt, die Halle erzittern und das Publikum beben lässt.

Casper, der mit bürgerlichem Namen Benjamin Griffey heißt, fragt von der Bochumer Bühne herunter, welcher der Jungs nur als Begleitung eines Mädchens da ist und findet fast keinen. Seine Musik ist weder für Frauen noch für Männer - ein seltenes Kunststück. Er erzählt, dass er seine kleine Schwester einmal auf ein No Angels Konzert begleiten musste und wird dafür, ein lieber großer Bruder zu sein, fast noch mehr von seinen Fans verehrt. Solch eine Blöße würde sich Bushido niemals geben. Und es scheint selbst Casper zu verwundern.

Der raue Philosoph

Doch all das passt zu dem rauen Philosophen unter den Deutsch-Rappern, deren Texte angenehm altmodisch anmuten und an die Anfänge des deutschen Hip Hop erinnern. Sang Cora E. 1997 in ihrem Track „Schlüsselkind“: Es wäre nichts so, wie es ist, wär’ es damals nicht gewesen, wie es war, rappt Casper in seinem Grizzly-Lied: Es wäre heut’ nicht wie es ist, wär es damals nicht gewesen wie es war. Aufspielen mit ihrer harten Kindheit tun sich Beide nicht, weder Cora E. noch Casper. Beide sprechen durch ihre Texte, nicht durch ihre PR-Abteilung.

Deutsche Sprache, umständliche Sprache - aber sehr dankbar für gerappte philosophische Wendungen mit größtmöglicher Klarheit - wie bei Casper: Der Sinn des Lebens ist leben.
Seine Texte haben Substanz, ohne sich sich in Pseudo-Tiefsinn zu verlieren, wie es andere tun. Da malt er die Welt auch schon mal „kuntergraudunkelbunt“ und nicht nur seine Fans fühlen genau, was er damit meint.

Tim Bendzko ist kein Rock n’ Roll

Und wenn er in Bochum sein aufgeheiztes Publikum fragt, ob Tim Bendzko, der ebenfalls Kronenpreisträger ist, Rock n’ Roll ist und wie selbstverständlich ein leicht höhnisches, einvernehmliches Nein zurückgebrüllt bekommt und seine Fans kurze Zeit später dazu auffordert, so laut zu brüllen, dass „Frida Gold wieder Haare wachsen“, dann tun sie willig sofort, wie ihnen befohlen.

Der große Widerspruch von Casper ist gleichzeitig seine größte Stärke: Seine Musik ist auf der Bühne brachialer, lauter, gleichzeitig aber melodiöser Gitarren-Rock, seine Text hingegen so nah am Publikum wie sonst bei gefühligen Singer-Songwritern. So singt der Gitarrenmelancholiker Gisbert zu Knyphausen: Du lachst und weinst und trinkst und kackst und schläfst und schon ist es vorbei. Bei Caspers „So perfekt“ klingt das so: Du lachst, du weinst, du strahlst, du scheinst. Du kratzt, du beißt, Fastenzeit vorbei. Und wie du brennst, wie du fällst. Alles wird perfekt!

Und das hat wenig mit Plagiat zu tun, das ist wahrscheinlich noch nicht einmal ein Zitat oder abgekupfert. Das ist einfach die schlichte, zeitgeistige Beschreibung, wie das Leben sich heute so anfühlt, bei Gisbert und bei Casper.
Das aber als Rapper und nicht als Akustik-Gitarrenjunge, dazu noch mit dem brachialen Sound, so klar auf den Punkt zu bringen, macht Casper keiner so schnell nach. Und dafür verehrt ihn sein Publikum – nicht nur in Bochum.