Frankfurt. .
Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt repräsentiert Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke zum ersten Mal den lange krisengeschüttelten Automobilhersteller und strahlt Zuversicht aus. Ein Interview.
Seit April steht Karl-Friedrich Stracke, der ehemalige Chef-Entwickler von General Motors (GM), an der Spitze von Opel. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt strahlt er Zuversicht aus. Die Verkaufszahlen weisen nach oben, 2011 soll es erstmals seit Jahren wieder einen Betriebsgewinn geben, 2012 auch unter dem Strich schwarze Zahlen.
Herr Stracke. Rund fünf Monate nach Ihrem Amtsantritt präsentieren Sie Opel zum ersten Mal auf der IAA. Mit welchem Gefühl?
Karl-Friedrich Stracke: Opel ist eindeutig im Aufwind. Wir zeigen auf der IAA nicht nur sehr gute und zukunftsweisende Autos. Auch unsere Zahlen belegen den aufsteigenden Trend. Wir wollen 2011 endlich wieder ein positives Betriebsergebnis erreichen, also vor Restrukturierungskosten einen Gewinn verbuchen. Die Verkaufszahlen weisen nach oben, die Auftragsbücher sind voll.
Wie sieht es im nächsten Jahr aus?
Stracke: Aus heutiger Sicht und aufgrund unserer Restrukturierung sollte Opel dann auch unter dem Strich wieder in die schwarzen Zahlen kommen. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Wir wollen in Europa weitere Marktanteile gewinnen. Aber natürlich sind wir auch von der allgemeinen Marktentwicklung abhängig.
Spürt Opel Auswirkungen der Staats- und Finanzschuldenkrise?
Stracke: Nein, im Moment jedenfalls noch nicht. Bis in den September hinein ist die Auftragslage gut. Unsere Werke sind im Zwei-Schicht-Betrieb zu 100 Prozent ausgelastet. Und im nächsten Jahr wollen wir mit 1,4 Millionen 100.000 Autos mehr verkaufen als 2011.Aber natürlich ist es auch für uns schwer, die Folgen der Finanzkrise oder einer möglichen weiteren Dramatisierung der Lage abzuschätzen.
Ist Opel auf einen Rückgang des Marktes vorbereitet?
Stracke: Absolut. Wir haben unsere Kapazitäten in der Restrukturierung um 20 Prozent abgebaut. 8.000 der 48.000 Stellen in Europa sind weggefallen, das Werk in Antwerpen wurde geschlossen. Wir haben unsere Gewinnschwelle damit deutlich gesenkt und können auch bei einem niedrigeren Markt schwarze Zahlen schreiben.
Opel will wieder stärker auch außerhalb von Westeuropa Autos verkaufen.
Stracke: Deutsches Engineering und die Marke Opel haben weltweit einen guten Klang. Deshalb war Opel früher in vielen Ländern stark. Da wollen wir wieder hin, wir wollen unseren guten Ruf nutzen. Derzeit konzentrieren wir uns auf Russland, wo wir in diesem Jahr schon 60.000 Autos verkaufen. Dieses Volumen wollen wir verdoppeln. Außerdem schauen wir auf Israel und Australien. Und wir wollen unsere Präsenz auf dem chinesischen Markt ausbauen. Aber auch Lateinamerika haben wir im Auge: Wir waren früher schon in Chile, in Argentinien oder Kolumbien. Dort wollen wir wieder hin. Der Export muss sich aber rechnen. Wenn ein Markt für uns auf Dauer nichts abwirft, gehen wir auch nicht hin.
Wie viele Autos wird Opel 2011 außerhalb Westeuropas absetzen?
Stracke: In diesem Jahr werden - abgesehen von Russland - rund 60.000 Fahrzeuge - von insgesamt etwa 1,3 Millionen - jenseits der EU-Grenzen verkauft, davon etwa 7.000 in China. Das können wir noch ausbauen. Wir peilen mindestens 100.000 an, davon rund 15.000 in Australien und 8000 in Israel.
Gibt es von General Motors Beschränkungen für den Export von Opel-Modellen? Welche Rolle spielt die Marke Chevrolet?
Stracke: Es geht nicht darum ob wir dürfen oder nicht dürfen. Solche Aussagen sind Unsinn. Aber wir schauen uns jeden Markt genau an und prüfen ob wir dort wirtschaftlich erfolgreich agieren können. In Brasilien etwa ist Chevrolet seit Jahren eine etablierte und sehr erfolgreiche Marke, die mit einem Anteil von über 20 Prozent mit an der Spitze des Marktes liegt. Dort macht ein Markteintritt für Opel keinen Sinn. Aber sonst hängt das nicht von Chevrolet ab. Zumal wir die Marke Opel höherwertiger positionieren wollen, näher zu VW. GM stärkt uns den Rücken. Ich habe mich sehr gefreut, dass GM-Chef Dan Akerson vor einigen Wochen ein uneingeschränktes Bekenntnis zu Opel abgegeben und einen Verkauf ausgeschlossen hat.
Aber im Vergleich zu VW ist die Opel-Modellpalette noch überschaubar.
Stracke: Deshalb werden wir den Kleinwagen Opel Junior bringen, einen kleinen SUV und ein Cabrio auf Basis des Insignia. Wir haben noch ganz viel in der Pipeline. Und einen Ampera und oder einen Meriva finden sie nur bei Opel - sonst nirgends.
Ist die Restrukturierung abgeschlossen? Wie sieht es in den Werken in Bochum und Kaiserslautern aus?
Stracke: Diese Phase ist im Wesentlichen abgeschlossen. Was in den nächsten Jahren noch kommt, geschieht im Rahmen einer normalen Effizienz-Verbesserung. Die Zukunft auch für die Werke Bochum und Kaiserslautern sieht gut aus. In Bochum haben wir 175 Millionen Euro investiert. Dort wird der neue Zafira und das noch laufende Vorgängermodell produziert und der Astra. Bochum ist mit 170 000 Fahrzeugen pro Jahr gut ausgelastet. Auch die Auftragslage in Kaiserslautern für Motoren und Komponenten ist gut.
Auf der IAA zeigen sie den Ampera. Das erste serienmäßige Elektrofahrzeug soll im November an die ersten Kunden ausgeliefert werden. Wie viele Bestellungen hat Opel in den Büchern?
Stracke: Derzeit sind es rund 6.000. Damit sind wir sehr zufrieden.
Und wie viele Amperas wollen Sie 2012 verkaufen?
Stracke: Wir peilen 10.000 bis 12.000 Fahrzeuge an.
Noch wird der Ampera in den USA gebaut. Wann kommt die Produktion nach Deutschland?
Stracke: Dazu brauchen wir größere Stückzahlen. Klar ist: Bis 2020 werden weiter 80 bis 90 Prozent aller Neuwagen mit herkömmlichen, freilich stark verbesserten Benzin- und Dieselmotoren auf die Straße kommen. Aber die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wir stetig zunehmen.
Auch Opel setzt auf verschiedene Optionen.
Stracke: Das müssen wir. Wir haben das gesamte Szenario im Blick: Verbrennungsmotoren, Hybrid-Fahrzeuge, Wasserstoff und Brennstoffzelle. Wir müssen das Thema Emissionen mittelfristig ganz vom Tisch bekommen. 2015/2016 will Opel das erste Wasserstoff-Fahrzeug auf den Markt bringen. Zehn Wasserstoff-Fahrzeuge laufen schon seit Monaten sehr erfolgreich im Testbetrieb in Berlin. Was Elektromobilität angeht, ist Opel führend in der Industrie, und auch bei anderen Technologien – Wasserstoff und Brennstoffzelle – liegt Opel zusammen mit einem anderen schwäbischen Hersteller ganz vorne. Klar ist auch: Die Kosten für Elektro-und Wasserstoff-Autos müssen noch weiter runter, damit sie schnell eine Chance am Markt haben – im Interesse unserer Kunden und der Umwelt.