Bochum.. Alten- und Pflegeheime sind stark gefordert: durch Ansprüche von Bewohnern und Angehörigen wie strikte finanzielle und personelle Rahmenbedingungen. Viele Mitarbeiter sind überlastet. Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit geht auseinander.
Die Bochumer Alten- und Pflegeheime geraten immer mehr in eine Zwickmühle: Eingeklemmt zwischen Wünschen und Ansprüchen von Bewohnern und Angehörigen einerseits sowie den strikten finanziellen und personellen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite wird die Arbeit schwieriger. Die Nerven liegen vollends blank, wenn es aufgrund von tatsächlichen oder vermuteten Missständen öffentliche Kritik hagelt.
Um besser reagieren zu können oder auch ein stärkerer Verhandlungspartner mit Ärzten oder Krankenkassen zu sein, haben sich Bochumer Alten- und Pflegeheime bereits in den 90er Jahren zum „Forum Altenhilfe“ zusammengeschlossen. Mittlerweile arbeiten dort 31 Träger mit, die insgesamt 3800 stationäre Plätze repräsentieren. Alle sechs bis acht Wochen finden Treffen statt.
Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Erich Bietz, Leiter der beiden Awo-Seniorenzentren in Langendreer und Werne, plädiert für offene Worte: „Wir müssen Bewohnern und Angehörigen klipp und klar sagen, was sie von uns erwarten können und was nicht.“ Es gebe zwar bundesweit gültige Standards mit ganz konkreten Beschreibungen der Arbeit, doch da der Personalschlüssel für die Pflegestufen seit Mitte der 90er Jahre quasi festgeschrieben ist, sich die Anforderungen an das Personal jedoch drastisch erhöht haben, geht die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit mittlerweile erheblich auseinander.
Das wissen die Fachleute längst, nur öffentlich darüber sprechen tun sie selten. Das mag daran liegen, dass die Anforderungen ständig gewachsen sind, der Druck zugenommen hat und stetig wächst. Mindestens verdoppelt hat sich in den letzten 30 Jahren die Zahl der Menschen in stationären Einrichtungen.
Durchschnittsalter bei 89 Jahren
Im Schnitt drei Monate lebt ein Mensch im Seniorenheim. Es gibt zu wenig Hospizplätze, außerdem werden Menschen mit Behinderungen oder Aids-Kranke aufgenommen.
Theo Elbers leitet die beiden städtischen Altenheime Glockengarten und Grabelohstraße. Er nennt Zahlen: Lag in den 80er Jahren das durchschnittliche Alter der Bewohner bei 80 Jahren und der Anteil der Demenzkranken bei rund 25 Prozent, liegt heute das Durchschnittsalter bei 89 Jahren, wovon mehr als die Hälfte an Alzheimer erkrankt sind. Auf den Personalschlüssel hat diese Entwicklung keine Wirkung.
Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert
Verdi-Gewerkschaftssekretärin Agnis Westerheide beobachtet die Lage der Altenpflege seit vielen Jahren. „Die Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert. Nur weil viele Beschäftigte über sich hinaus gehen, ist es noch nicht zu einem Pflegekollaps gekommen.“ Sie kenne etliche Fälle von Burn-out, viele seien schlicht „kaputt“. In ihrer Ausbildung hätten sie gelernt, für die Bewohner da zu sein. Heute stehe jedoch die konkrete Pflegearbeit im Vordergrund.
Ulla Tameling leitet das Marienstift und das benachbarte Antoniusstift. Sie beschreibt die vielfältigen Kontrollinstanzen etwa durch die Heimaufsicht oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK): „Dann kommt früh morgens ein Fax mit der Ankündigung.“
Geprüft werde, so die Vertreter des Forums Altenhilfe, ob die Pflegestandards umgesetzt werden. Ob die Zähne geputzt und die Fußnägel geschnitten sind, gehöre auch dazu. Und, was für das Pflegepersonal aufwändig ist, die Arbeitsdokumentation: „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht erledigt“, weiß Bietz.