Bochum. Rockstar Herbert Grönemeyer zu Besuch in der Heimat: Im Bochumer Stadion gab er ein dreistündiges Benefizkonzert für den Bau des Konzerthauses. 28000 Fans dankten es ihm stürmisch.

Das muss man Generalmusikdirektor Steven Sloane wirklich lassen: Der Mann hat nicht nur Stil und Charisma, er hat auch ein unerhörtes Gespür fürs richtige Timing. Gerade jetzt, wo sich wieder Stimmen melden, die inmitten von Finanznot und Haushaltskrise den großen Traum vom Konzerthaus bereits als geplatzt ansehen, setzen Sloane und Pop-Poet Herbert Grönemeyer im Rewirpower-Stadion ein dickes Ausrufezeichen dagegen.

Eine riesige Party-Zone






Einen besseren Zeitpunkt für dieses Benefizkonzert hätte es nicht geben können. Volle drei Stunden lang verwandeln Grönemeyer und die Symphoniker das Stadion in eine einzige Party-Zone. Und währenddessen hält Bochums größter Sohn mit seiner Meinung für den Bau des Konzerthauses keineswegs hinterm Berg. „Dieses Haus muss einfach in Bochum gebaut werden, egal was passiert”, ruft er der johlenden Menge zu. „Nicht nur wir profitieren davon. Das Haus hält die Generationen in den nächsten 200 Jahren zusammen.”

Sonnenaufgang bei Regenwetter

Aber von vorn: Es ist kurz nach acht, da begibt sich im Stadion das seltene Schauspiel eines Sonnenaufgangs bei Regenwetter. Unter euphorischem Jubel betritt Herbert Grönemeyer die Bühne, ganz schlicht und ohne Ouvertüre. Über einen 30 Meter langen Steg, der an diesem Abend eine bedeutende Rolle spielen wird, schreitet er in die Mitte des Stadions, wo ein Klavier auf ihn wartet. Er singt „Leb in meiner Welt”, einen Song seines jüngsten Albums – und hinter einem Vorhang halbwegs gut verborgen setzt das 90-köpfige Orchester majestätisch dazu ein. „Leb in meiner Welt ... Wenn dir ein Engel fehlt, hab ich einen zur Hand.”

Der Himmel heult





Der Vorhang fällt, die Menge jubelt, der Himmel heult, Grönemeyer strahlt. Was für ein Auftritt!

Das Besondere dabei: Der dauernde Regen scheint Publikum und Musikern nichts auszumachen. Mehr noch, es schweißt sie enger zusammen. Fast wie 1992, als Grönemeyer in Duisburg einen legendären Regen-Auftritt hinlegte, der später als „Wasserschlacht vom Wedau-Stadion” in die Herbie-Annalen einging, ist das Mistwetter auch diesmal ein treibender emotionaler Faktor. Bei Sonnenschein gut drauf zu sein ist einfach, bei Regen muss die Leidenschaft erst entwickelt werden.

Ein gemeinschaftlicher Bund

Und so entspinnt sich zwischen Grönemeyer, dem Orchester und dem Publikum ein gemeinschaftlicher Bund, an den viele seiner Fans wohl lang zurück denken werden. Schon ewig sah man Grönemeyer nicht mehr so entspannt wie an diesem Abend. Hinter ihm Band und Orchester, unter ihm die Menge, die ihn mit Leckereien versorgt, Herbert fühlt sich pudelwohl! „Das ist Lust, Laune und Lebensfreude pur”, ruft er und stürmt wieder seinen Steg hinauf und hinunter.

Etikette der Einmaligkeit

Natürlich sind es seine Hits à la „Männer”, „Alkohol” oder „Musik, nur wenn sie laut ist”, die für Stimmung sorgen. Doch dem Abend haftet dazu die Etikette der Einmaligkeit an: Dafür sorgen die Symphoniker, die besonders die etwas getragenen Songs großartig untermalen und begleiten. Dem ohnehin grandiosen „Ich dreh' mich um dich” wachsen auf diese Weise ganz neue Flügel. Und wie sie „Land unter” und „Der Weg” zu Groß-Hymnen drehen, das wird ihnen niemand so schnell vergessen.

Dann die Neuigkeit: Auch Steven Sloane singt! Gemeinsam mit Grönemeyer und seiner vergnügten Band, die die Pause von der Tourpause dankend annimmt, intoniert er „Einmal nur in unserm Leben” nach einem Text von Goethe. Doch allzu lyrisch soll es dann doch nicht werden: Direkt darauf folgt mit „Was soll das?” einer von Herbies beliebt-berüchtigten Ausflügen ins Schlagerparadies.

Der Song aller Songs




Und „Bochum”? Der Song aller Songs? Vor zwei Jahren haben es ihm die Fans ordentlich krumm genommen, dass er den Pulsschlag aus Stahl nur einmal angestimmt hat. Doch Herbie hat dazu gelernt und adelt das Konzert am Ende mit einem zweiten „Bochum” („Das habt ihr nun davon”), ehe „Vollmond” in einem minutenlangen Gitarrensolo von Stephan Zobeley versinkt. „Oooh, wie ist das schön”: Die Fans sind aus dem Häuschen.

Grönemeyer und seine Heimatstadt: Diese Liebe hält ewig. Dabei hat er ja immer bestritten, ein Star oder gar eine Ikone zu sein. „I don't think I'm an icon”, zitierte ihn vor drei Jahren das amerikanische Time-Magazine. „I'm just Grönemeyer from Bochum ...”

Danke, Herbert, für diesen Abend. Oder sagen wir es mit einer Zeile aus „Halt mich”: Schön, dass es dich gibt!

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