Bochum. .

Die Arbeitsagentur Bochum hat einen 63-Jährigen verpflichtet, eine Eingliederungsmaßnahme zu besuchen. Wenn der Bochumer mit dem Bewerbungstraining fertig wäre, könnte er noch acht Monate arbeiten. Rausgeschmissenes Geld, findet er.

Hans-Werner Günther ist 63 Jahre alt. Als er jetzt das erste Mal in seinem Leben bei der Agentur für Arbeit vorstellig wurde, fühlte er sich abgespeist mit einer Eingliederungsvereinbarung. Dazu gehört eine zehnmonatige Maßnahme als Bewerbungstraining. „Bei Ende der Maßnahme wäre ich 64. Wer soll mich noch nehmen? Das ist sinnlose Verschwendung öffentlicher Mittel.“

Günther hatte als Vorarbeiter bei der Wittener Ruhrtaler Gesenkschmiede gearbeitet. 26 Jahre gehörte der Bochumer dem Betrieb an, insgesamt war er 48 Jahre in der Metallverarbeitung tätig. „Aus der Krise heraus wurde den älteren Kollegen angeboten, vorzeitig auszuscheiden; 20 von uns machten Gebrauch davon, um Platz für Jüngere zu schaffen.“ Ab Mai war er dann arbeitslos, zuvor wandte er sich Ende April an die Arbeitsagentur. Dort wurde Günther verpflichtet, sich einen Minijob zu suchen und sollte mindestens fünf Bewerbungen bis zum nächsten Termin vorweisen. Damit verbunden: ein zehnmonatiges Bewerbungstraining.

„Ich war fix und fertig. Nach 48 Jahren war ich froh, aus dem Knochenjob heraus zu sein.“ Hans-Werner Günther ist zu 30 Prozent schwerbehindert, seine Tätigkeit im Heißbetrieb hat ihm Rücken und Füße kaputtgemacht.

Lieber ehrenamtlich bei der Bahnofsmission engagieren

Noch einmal voll arbeiten, das ginge nicht. „Ich würde mich lieber ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel bei der Bahnhofsmission.“ All das hätte er gern seiner Sachbearbeiterin dargelegt, doch sein Folgetermin am 14. Juni wurde von der Arbeitsagentur abgesagt. Er hat dann einen so genannten Gleichstellungsantrag gestellt, der seine Vermittlungschancen eher erhöhen würde, denn dann kann das Versorgungsamt Zuschüsse geben. Danach hat er nichts mehr gehört.

Derweil trug der Bochumer Bewerbungen zusammen, sieben Stück, alle ohne Chancen. „Als dann die Maßnahme näherrückte, fragte ich nach, was denn nun mit einem neuem Termin sei.“ Daraufhin bekam er schriftlich einen für Ende August, überdies wurde sein Gleichstellungsantrag abgelehnt. Günther wurde krank, findet ohne Tabletten keinen Schlaf mehr.

Seither setzt sich Rechtsanwalt Gerhard Ayasse für den Bochumer ein: „Wenn Hans-Werner Günther mit diesem Bewerbungstraining fertig wäre, stünde er dem Arbeitsmarkt noch acht Monate zur Verfügung. Das ist rausgeschmissenes Geld.“ Ayasse kündigt an: „Ich werde Strafantrag wegen Untreue stellen.“

Maßnahmen sollen die Statistiken bereinigen

Michael Hermund, Vorsitzender der DGB Region Ruhr Mark: „Mit diesen Maßnahmen soll die Statistik bereinigt werden; Teilnehmer von Maßnahmen gelten nicht als arbeitslos.“ Hermund vermutet, dass Günther damit zum früheren Renteneintritt bewegt werden soll. „Es ist ein Irrwitz, einen 63-Jährigen mit einem Bewerbungstraining zu behelligen.“

Dazu Anja Greiter, Pressesprecherin der Arbeitsagentur: „Grundsätzlich sind wir verpflichtet, jedem Unterstützung anzubieten, unabhängig vom Alter. Viele sind auch froh, dass sie aufgrund einer längeren Maßnahme später dann ohne Abschläge in Rente gehen können.“ Zum konkreten Fall konnte sie aus Datenschutzgründen nicht Stellung nehmen.