Bochum. „Elli“ war die dienstälteste Fiege-Wirtin. Vor 50 Jahren eröffnete sie das Haus Fey. Wie alles begann – und wie die Tochter ums Überleben kämpft.
Aufhören? Geht nicht. Gibt‘s nicht. „Ich hab‘ euch doch alle großgezogen“, tönte Elfriede Fey, wann immer am Tresen das Thema Ruhestand aufkam. 2021 starb „Elli“ im Alter von 81 Jahren. Ihre Tochter Melanie führt Mutters Erbe fort. Jetzt wird gefeiert: Am 1. Mai besteht das Haus Fey seit 50 Jahren.
Es ist ein Relikt aus den Blütezeiten der Kneipenkultur, das sich an der Hofsteder Straße 17 tapfer gegen den Untergang wehrt. Nicht wenige Bochumer halten Haus Fey für die urigste, liebenswürdigste, ganz sicher authentischste Gastwirtschaft der Stadt. Zwischen Riesenpuzzles, Würfelbechern, Flipper, Pin-, Wimpel- und Flaschenöffnersammlung wird ein gastronomisches Kleinod bewahrt, wie es inmitten uniformer Bar- und Club-Konzepte zur Rarität geschrumpft ist. Ruhrpott pur. Ebenso wie die Gründerin.
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Stammgäste wurden angeraunzt: „Hasse kein Zuhause?“
1974 eröffnet Elfriede Fey, die zuvor einen Tante-Emma-Laden führte, die Kneipe. Mit ihrem Mann Gerd (der ihr mit 56 Jahren „viel zu früh weggestorben is‘“) kauft sie das ehemalige Haus Bracht. Bald entstehen in den oberen Stockwerken zehn Fremdenzimmer. Eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle, gerade in späteren, weniger guten Zeiten.
Was folgt, ist Geschichte. Elli gelingt es mit, nun ja, rustikalem Charme, eine treue Stammkundschaft aufzubauen. „Hasse kein Zuhause?“, werden selbst langjährige Gäste angeraunzt. Die nehmen trotzdem gern an der Theke Platz, „die ganze Bagasche“, vom ewigen Erwin bis zum kräftigen Atilla, den sie hier den „Osmanischen Büffel“ nennen und der mit selbstgefertigten Fiege-Fingerringen unvergessen bleibt. Konzentriert wird sich aufs Wesentliche: Knobeln, Kippen, Kaltgetränke. Nur für ausgesuchte Freunde brät die Chefin mitunter Schnitzel und Frikadellen, „schön mit Kartöffelkes und Kohlräbskes“.
Frank Goosen schwärmt von Hängebauchschweinen Moritz und Martina
Neuzugänge gesellen sich irgendwann nur noch selten hinzu. Abgänge sind naturgemäß häufiger zu beklagen. Das Rauchverbot macht‘s den klassischen Kneipen nicht eben einfacher. Doch Elfriede ist eine Kämpfernatur. Und: Das Fernsehen klopft an. TV-Talkerin Bettina Böttinger entdeckt Haus Fey mit seinem Retro-Biergarten für stimmungsvolle Reportagen. Auch Bochums Heimatdichter Frank Goosen wird zum Fey-Fan. In seinen Bühnenprogrammen schwärmt er von den Hängebauchschweinen Moritz und Martina, die Elli inbrünstig bemuttert und mit Duplo und Frankfurter Kranz füttert. „Hinterm Tresen, wo gibbet sowat denn noch?“
Sogar ins Kino schafft es die älteste Bochumer Fiege-Wirtin. In Goosens Roman-Verfilmung „Sommerfest“ spielt sie 2017 unter der Regie von Sönke Wortmann die Kioskbesitzerin und Revier-Pflanze Änne Starek. Eine Traumbesetzung. „Ich muss zum Dreh!“, verkündet sie stolz wie eine Diva, wenn sie in einer Limousine der Produktionsfirma abgeholt und nach Köln chauffiert wird.
Propst Ludwig bei der Trauerfeier: „Jesus wäre ihr Stammgast gewesen“
Den Überlebenskampf um ihre Kneipe gewinnt Elfriede Fey. Ihren eigenen verliert sie vor zweieinhalb Jahren. „Jesus wäre ihr Stammgast gewesen“, sagt Propst Michael Ludwig in seiner bewegenden Trauerrede auf dem Friedhof in Hordel.
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„Ich werde wie eine Löwin kämpfen, um das Lebenswerk meiner Mutter zu erhalten“, verspricht Melanie Fey damals. Sie hält Wort. Mit Reinhold Höll (67) an ihrer Seite hat die Neu-Gastronomin bis heute alle Hürden (und das waren und sind nicht wenige) überwunden. Die 56-Jährige beweist, wie frau an ihren Aufgaben wachsen kann. Und manchmal über sich hinaus.
Jubiläum am 1. Mai mit Hähnchenwagen, Bier und Schnaps
Jeder Tag sei eine neue Herausforderung, sagt Melanie Fey und ist fest gewillt, dem Kneipensterben gerade in Bochums Außenbezirken weiterhin zu trotzen. Viele ihrer Unterstützer werden am Mittwoch, 1. Mai, erwartet, wenn der 50. Geburtstag von Haus Fey gefeiert wird: ab 18 Uhr, mit Hähnchenwagen, Bier und Schnaps für zwei Euro und einem gemeinsamen Hoch auf Elfriede.
Elli hat‘s vorgemacht. Aufhören? Geht nicht. Gibt‘s nicht.
Mit Auszügen aus dem Buch „Irgendwas is immer – Thekengeschichten aus dem Ruhrgebiet“ von Jürgen Stahl (Verlag Journalistenbüro Herne, 2018).