Bochum. 636 Jahre hat das Maiabendfest auf dem Buckel. Bochums ältestes Brauchtum wird von jungen Menschen bewahrt. Was bewegt sie? Eine Spurensuche.
„Bochum, ich komme aus dir, Bochum, ich häng an dir“: Bei den Maischützen wird Grönemeyers inoffizielle Stadthymne mit besonderer Inbrunst intoniert. Wo man das älteste Bochumer Brauchtum lebt und pflegt, wird Heimatliebe vielfach mit der Muttermilch eingeflößt. Das gilt auch für zwei der drei Bochumer Jungen, die das angestaubte Bild der Maiabendgesellschaft seit Jahren auffrischen. Sie halten die blau-weiße Tradition aufrecht: nicht selbstverständlich in unserer schnelllebigen Zeit.
Bochumer Maiabendfest: Vorsitzender kam erst spät dazu
Es ist fünf Jahre her, als die Maischützen den jüngsten Vorsitzenden ihrer Geschichte kürten. Stefan Vahldieck, damals 36, löste Karl-Heinz Böke an der Spitze des 500 Mitglieder starken Vereins ab. Warum dieses Engagament zusätzlich zu den Herausforderungen als Finanzmakler und Geschäftsführer einer Versicherungsagentur?
„An meinen Eltern liegt‘s nicht“, sagt der 41-Jährige und lacht. Als Zugereiste hätten Mutter und Vater mit dem Maiabend-Umzug vor der Haustür, daheim an der Castroper Straße, nichts am Hut gehabt: „Sie sind regelrecht geflüchtet.“ Erst mit Anfang 20 kam Vahldieck mit dem Brauchtum in Berührung. „Ich begann damals, mich für die Stadtgeschichte zu interessieren. Da stößt man unweigerlich auf das Maiabendfest.“
Vahldieck: „Ich will der Stadt etwas zurückgeben“
Spannend fand er die Legende von den tapferen Bochumer Jungen, die anno 1388 eine Viehherde zurückeroberten, die böse Dortmunder Buben in Harpen geklaut hatten. Spontan schaute er bei einem Kompanie-Treffen vorbei. Der Rest ist seine eigene Geschichte: vom Fähnrich über den Junggesellenhauptmann 2007/2008 und den Sicherheitsbeauftragten bis zum Vorsitz seit 2019.
Eine „Faszination“ gehe vom Maiabendfest aus, schwärmt Stefan Vahldieck. Weiß Gott: Beruflich und privat (die Kinder sind zehn und 14) hat er genug um die Ohren. Gleichwohl investiert er viele Stunden seiner Freizeit in seine Mission: „unser Fest und das Bewusstsein für unsere Tradition für die nächsten Generationen zu bewahren.“ Er wolle „der Stadt und Gesellschaft etwas zurückgeben“. Im Februar wurde er dafür mit der Bierkutschermütze der Fiege-Brauerei ausgezeichnet.
Junggesellenhauptmann Meiko Krämer wandelt auf Uropas Spuren
Der wachsende Zuspruch für das Bürgerfest in der Innenstadt zeigt: Die Maischützen sind auf einem guten Weg. Daran hat auch Meiko Krämer einen gewichtigen Anteil. Zum fünften Mal ist er 2024 als Junggesellenhauptmann die wichtigste Fest-Figur: beim „Entreißen“ der Mai-Eiche im Harpener Bockholt ebenso wie beim anschließenden Festmarsch gen City.
Anders als Stefan Vahldieck ist Meiko Krämer in seine Rolle hineingeboren. Sein Urgroßvater war 1912 Gründer des Spielmannszuges der Maiabendgesellschaft. Die Familie flaggt in vierter Generation blau-weiß. Klein-Meiko begann als Trommler, ist seit 2020 Junggesellenhauptmann und seit diesem Februar wie einst der Uropa Vorsitzender des Spielmannszuges.
Adjutant Leon Horn: „Im Gespräch wächst der Respekt“
Zweifel an seinem Hobby hätten ihn nie befallen, sagt der 29-Jährige, der als stellvertretender Marktleiter bei Rewe Lenk in Altenbochum arbeitet. „Ich bin mit fünf Jahren eingetreten. Es war immer klar, dass ich Junggesellenhauptmann werden will.“ Klar, gerade als Jugendlicher sei er auch belächelt worden. „Aber da stand ich immer drüber. Ich möchte die Bochumer Stadtgeschichte weiter tragen.“
Das will auch Leon Horn. Zum vierten Mal ist er in diesem Jahr Adjutant des Junggesellenhauptmanns, hält ihm den Rücken frei. Auch seine Familie ist seit vier Generationen eng mit den Maischützen verbunden. Unverständlich sei ihm, dass viele Bochumerinnen und Bochumer nichts bis wenig über das Brauchtum wissen. „Ich werde oft gefragt, warum ich das mache“, sagt Leon Horn. „Wenn ich dann diese einzigartige Geschichte erzähle, merke ich, wie der Respekt wächst.“
636. Maiabendfest wird vom 25. bis 28. April gefeiert
Groß ist die Vorfreude bei Stefan Vahldieck, Meiko Krämer, Leon Horn und ihren Kameradinnen und Kameraden auf das 636. Maiabendfest, das vom 25. bis 28. April gefeiert wird. „Vier Tage präsentieren sich die Innenstadt und Harpen voller Leben. Jung und Alt kommen singend und tanzend zusammen“, heißt es in der ersten Ankündigung.
Das Programm bleibt weitgehend unverändert. Auf dem Boulevard wird es auf einer Bühne Live-Musik geben. Im Vorjahr begeisterte eine ABBA-Tribute-Band. Wer diesmal dabei ist, soll demnächst bekanntgegeben werden. Fest stehen der Marsch am Maiabend-Samstag, der Mittelaltermarkt in der City und der Familiensonntag.
Ruhrpark stiftet in diesem Jahr die Mai-Eiche
Stifter der Mai-Eiche ist (nach der WAZ 2023) der Ruhrpark, der 2024 sein 60-jähriges Bestehen feiert. Eine weitere Bochumer Institution, die sich immer wieder verjüngt und neu erfunden hat. Stefan Vahldieck weiß: Das ist und bleibt auch eine Daueraufgabe der Maischützen. Auch wenn seine 68-jährige Mutter damit bis heute wenig anfangen kann. „Wenn sie unser Fest besucht, fällt sie noch immer vom Glauben ab.“ Zugleich glaubt der Sohnemann aber auch: „Sie ist stolz auf mich.“ Junge, do kass di drop verloten.