Bochum/Essen/Castrop-Rauxel. Heinz von Gersum ist Arzt – und VfL-Fan. Dass im Stadion viele Becherträger herumfliegen, nervt ihn. Also ging er in seine Garage und tüftelte.

Am Anfang war ein Ärgernis – und der Gang in die Garage. Es war September 2022, Heinz von Gersum genervt vom Müll im Ruhrstadion. „Die Becher sind nicht das Problem“, sagt der VfL-Bochum-Fan, die würden dank zwei Euro Pfand zurückgebracht. Anders als viele der Getränkehalter aus Pappe. Auch auf die wird zwar Pfand erhoben, aber nur 50 Cent. Wohin damit, wenn die Biere erstmal verteilt sind? Unzählige der Becherträger flögen im Laufe des Spiels auf den Tribünen rum, würden zu Stolperfallen. Das müsse doch auch anders gehen, dachte sich von Gersum. Ging in die Garage und tüftelte.

Der Erfinder, der hauptberuflich als Oberarzt der Urologie in einer Essener Klinik arbeitet, sägte in der Hobby-Werkstatt vier Ringe aus Plexiglas, verband sie mit Nylonschnüren, sodass man vier Becher untereinander hängend transportieren kann. Angst vorm Überschwappen müsse man nicht haben. „Die Trägheitsgesetze arbeiten für mich“, sagt Gersum, den Schriftzug „Bochumer Junge“ auf dem dunkelblauen Sweatshirt und sein baumelndes Erstlingswerk in der Hand.

„Bierbommel“: Hängender Becherträger „und senkrechte Theke“

Den Urtyp aus der Garage nahm der VfL-Fan mit ins Stadion. „Wenn mir der reißt“, dachte von Gersum, „dann bin ich der Depp der Ostkurve.“ Doch er hielt, die Umstehenden staunten. „Als würde sich vor Moses das Wasser teilen“, erinnert sich der 54-Jährige an die Szene und lacht. „Was is‘ das denn?“, fragten die Leute. Tja-ha, gestatten: der Bierbommel! Hängender Träger für bis zu vier Getränkebecher. „Und senkrechte Biertheke“, sagt der Erfinder. Denn dank Schlaufe und Haken am oberen Ende kann man die Becherampel auch an die Wellenbrecher oder das Geländer der Tribüne hängen.

Wenn der mir reißt, dann bin ich der Depp der Ostkurve
Heinz von Gersum, VfL-Fan und Erfinder der „Bierbommels“

Eineinviertel Jahre sind vergangen, mit seinen zwei Versuchen Marke Eigenbau wandte sich der geborene Bochumer an einen Prototypenhersteller in Castrop-Rauxel, entwickelte den Bierbommel gemeinsam mit einem Produktdesigner weiter. Die jüngste Version – Nummer sechs oder sieben – ist aus Kunststoff. Statt Schnur verbinden kleine Plastikstützen die einzelnen Bierringe. Wird der Bierbommel nicht gebraucht, lässt er sich zu einem etwa zwei Zentimeter dicken, handtellergroßen Päckchen zusammenfalten.

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Hauptberuflich Arzt, jetzt auch Erfinder: Patent ist angemeldet

Der „Bierbommel“ in unterschiedlichen Versionen: Mit Plexiglas und Nylonschnur (unten links) fing‘s an, Heinz von Gersum modifizierte selbst die Form der Becherhalter (angelehnt ans VfL-Wappen) und variierte die Schnur (unten Mitte), dann folgte ein erster Prototyp in Blau-Weiß. Die jüngste Version des Becherträgers ist aus Kunststoff und zusammenfaltbar – auf dem Bild fehlt eine „Etage“.
Der „Bierbommel“ in unterschiedlichen Versionen: Mit Plexiglas und Nylonschnur (unten links) fing‘s an, Heinz von Gersum modifizierte selbst die Form der Becherhalter (angelehnt ans VfL-Wappen) und variierte die Schnur (unten Mitte), dann folgte ein erster Prototyp in Blau-Weiß. Die jüngste Version des Becherträgers ist aus Kunststoff und zusammenfaltbar – auf dem Bild fehlt eine „Etage“. © Funke Foto Services | Dirk A. Friedrich

„Das ist keine Raketenwissenschaft“, sagt Heinz von Gersum, „aber einfach praktisch.“ Die Menschen schleppten doch auch ihre Sitzkissen mit ins Stadion, warum dann nicht den wiederverwendbaren Bierträger? Der Urologe glaubt an seine Erfindung, ist nach wie vor sichtlich begeistert. Mehrfach habe er Bierbommel-Prototypen mit im Stadion gehabt, „nix ist passiert. Da tritt keiner gegen, da ascht niemand rein.“

Bastelei hin, Hobby her – irgendwann habe er sich fragen müssen: „Verfolge ich die Idee ernsthaft weiter?“ Er habe noch keinen Euro am Bierbommel verdient, sagt von Gersum, aber schon einiges an Geld reingesteckt. Er zeigt einen der Prototypen – blaue Dreiecke, weiße Schnur, „die Platten wurden extra dafür gepresst“. Materialwert: 108 Euro pro Stück... Sein Ziel sei ein Bierbommel in Serienreife, fünf bis zehn Euro teuer für den Endverbraucher. Im Oktober 2023 gründete er eine GmbH, Mitte Dezember meldete er das Patent an. Aktuell, sagt er kurz vor dem Jahreswechsel, sei dies noch in der Prüfung.

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Im neuen Jahr will Heinz von Gersum eine Feldstudie starten

Er habe alle Bundesligavereine angeschrieben, erzählt der 54-Jährige. Das Interesse sei bislang überschaubar, dabei schrieben sich die Clubs doch Nachhaltigkeit auf die Fahnen, „daran müssen sie sich messen lassen“. Wenn das Patent erteilt ist, wolle er eine Feldstudie starten, sagt von Gersum. Sie hätten nun die Voraussetzungen, in kleinerer Stückzahl zu produzieren. 50 bis 100 Bierbommel wolle er vor Stadien verteilen – in erster Linie, um Nutzererfahrungen zu sammeln: Wie kommt das Produkt bei den Fans an, wie viel wären die Leute bereit zu zahlen?

Einem VfL-Bochum-Fanclub habe er den Bierbommel auch schon gezeigt, berichtet der Arzt. Einziger Kritikpunkt: dass nur vier Bier hineinpassten – die Pappträger fassten maximal sechs. „Ich bin kein Geschäftsmann“, sagt er, all das, was gerade passiere, sei „total spannend“ für ihn. Es gebe genau zwei Möglichkeiten: „Entweder, ich werd‘ reich und berühmt. Oder es wird eine teure Erfahrung.“

Entweder, ich werd‘ reich und berühmt. Oder es wird eine teure Erfahrung.
Heinz von Gersum (54)

Am Anfang sei er im privaten Umfeld „nur belächelt“ worden, inzwischen ernte er „zustimmendes Nicken“ und spüre „zunehmend Respekt“. Immerhin: Einen ersten Bierbommel hat er neulich verkauft, ganz unverhofft im Stadion sprach ihn eine Frau an und fragte, ob sie den Prototypen, den er bei sich hatte, bekommen könnte. 6,50 Euro zahlte sie, der Bommel wurde ein Wichtelgeschenk. „Ich bin gespannt“, sagt Heinz von Gersum, „wo das hinführt.“

Zur Person

Heinz von Gersum ist gebürtiger Bochumer, in Linden aufgewachsen und lebt inzwischen seit mehr als 20 Jahren mit seiner Familie in Castrop-Rauxel. Als Jugendlicher habe er selbst Fußball beim VfL Bochum gespielt, erzählt der Mediziner, „von zwölf bis 17 etwa, von der C-Jugend bis zum ersten Jahr A-Jugend“. Er habe früh gewusst, „dass es für eine Profikarriere nicht reicht“. Bis „Ende 20“ habe er aber noch hobbymäßig gekickt, dann vertrug sich der Vereinssport nicht mehr mit den Arbeitszeiten im Krankenhaus. Als Fan ist der 54-Jährige nach wie vor regelmäßig im Stadion „anne Castroper“: Er hat seit Jahren eine Dauerkarte.

Wer Interesse am Bierbommel hat und dazu Kontakt mit Heinz von Gersum sucht, kann sich via bierbommel@gmx.de bei ihm melden.