Bochum. Bochum hat die milliardenschwere „Nachhaltigkeits-Strategie“ auf den Weg gebracht. 2024 geht‘s los. Diese Maßnahmen sind zum Start geplant.
„Jetzt sind alle gefragt!“, appelliert Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke: Nachdem der Rat in der vergangenen Woche den Weg für die „Nachhaltigkeits-Strategie“ geebnet hat, sollen im nächsten Jahr die ersten Projekte umgesetzt werden. Ziel: Bochum bis 2035 klimaneutral zu machen. Nicht nur die CDU äußert daran Zweifel.
Mit den Stimmen der rot-grünen Ratsmehrheit war das in Bochum bislang einzigartige Umwelt- und Sozialpaket beschlossen worden. 200 „Aktivitäten“ umfasst die Agenda, die die Stadt zusammen mit der Politik, Umweltverbänden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet hat.
Stadtbaurat: 11,2-Milliarden-Paket ist eine Gemeinschaftsaufgabe
„Ich freue mich darüber, dass der Rat zugestimmt hat“, sagt Markus Bradtke. „Jetzt geht unsere Arbeit intensiv weiter.“ Als „Gemeinschaftsaufgabe“ bezeichnet er die Mission, sich in den nächsten elf Jahren „für ein zukunftsorientiertes Leben und gegen die Klimakrise“ einzusetzen.
11,2 Milliarden Euro sollen dafür investiert werden. Eine gigantische Summe, mehr als das Sechsfache des kompletten Jahresetats der Stadt. Der Anteil der kommunalen Ausgaben macht daher nur einen kleinen Teil aus. „Die Kosten verteilen sich über alle Akteursgruppen, Maßnahmen und Investitionen, die mit dem gesellschaftlichen Transformationsprozess verbunden sind“, heißt es im Rathaus. Die direkten Kosten für den Haushalt der Stadt seien „abhängig von den beschlossenen Maßnahmen“, Fördergeldern sowie Erträgen aus Energie-Einsparungen, etwa durch zusätzliche Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden.
„Starterpaket“ listet die ersten 22 Maßnahmen für 2024 auf
In Kürze geht‘s los: Mit einem sogenannten Starterpaket soll die „Nachhaltigkeits-Strategie“ ab 2024 mit Leben erfüllt werden. 22 Punkte sind darin aufgelistet, unter anderem die kommunale Wärmeplanung, der weitere Ausbau der Photovoltaik, die Fortschreibung des Mobilitätskonzepts (Radwege, Nahverkehr), Gesundheitskioske, Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung („Foodsharing“), Weiterbildung in Schulen, Förderprojekte für eine künftige „Schwammstadt“ sowie neue Trinkwasserbrunnen.
Dem Starterpaket sollen jährlich 15 bis 30 Aktivitäten folgen, kündigt die Stadt an. SPD und Grüne hatten die Strategie im Rat als Meilenstein für ein umweltfreundliches und soziales Bochum gewürdigt. Niemand werde dabei finanziell überfordert, alle würden mitgenommen, versicherte Jörg Czwikla (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Sicherheit und Ordnung.
CDU: Agiert wird nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“
Es sei „generell gut, dass nachhaltiges Handeln im städtischen Denken verankert wird“, bekräftigt CDU-Umweltpolitiker Tim Woljeme. Die Union habe der Strategie im Rat dennoch nicht zustimmen können, „da Rot-Grün darauf bestanden hat, das Gesamtpaket auf einmal zu verabschieden. Ein solches Verhalten hätten wir der Bevölkerung gegenüber nicht verantworten können“.
SPD und Grüne hätten „den Aspekt der finanziellen Nachhaltigkeit völlig aus den Augen verloren“, so Woljeme. Die Stadt jongliere mit den 11,2 Milliarden Euro. „Niemand kann uns sagen, ob diese Summe jemals zur Verfügung steht. Dazu passt, dass der Baudezernent nicht in der Lage war, die Belastung des Stadthaushalts auch nur im Ansatz zu benennen. Diese Leute agieren nach dem Motto: Nach uns die Sintflut!“, bemängelt die CDU und bemerkt: „Ein Weihnachtsmann mit 11,2 Milliarden im Sack ist bisher jedenfalls nicht im Rathaus erschienen.“
Klimabündnis: Ziele werden weit verfehlt
Scharfe Kritik äußert der Bochumer Arbeitskreis Umweltschutz. „Die von der Politik und Verwaltung hochgelobte ,Nachhaltigkeits-Strategie‘ wird die von der Wissenschaft als notwendig erkannten Ziele leider weit verfehlen“, befürchtet Sprecher Ingo Franke. Die negativen Auswirkungen von einmal in die Luft geblasenem CO2 dauerten mehrere Jahrhunderte an. „Die energetische Gebäudesanierung müsste mehr als verachtfacht werden, um 2035 Klimaneutralität zu erreichen“, so Franke. Das Paket sei „keine Strategie; sondern lediglich die Aufzählung von völlig unzureichenden Maßnahmen“.