Bochum. Die Hälfte der erwachsenen Flüchtlinge leidet an psychischen Problemen. Dort setzt ein Projekt aus Bochum an, eine Mutter schwärmt davon.

„Unser Verhältnis ist viel besser geworden“, sagt Khairia Amairy (43) aus Bochum über sich und ihre Familie. Vor etwa acht Jahren ist sie mit ihrem Mann und den vier Kindern aus Syrien nach Deutschland geflohen, heute leben sie in Bochum-Querenburg.. Amairy hat in den vergangenen Wochen an einem Projekt vom Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit (FBZ) der Ruhr-Universität Bochum teilgenommen.

„Improve MH“ nennt es sich und wird von Psychologin Silvia Schneider geleitet. Bereits zum Start der Studie vor vier Jahren erklärte sie: „Geht es den Eltern gut, geht es häufig auch den Kindern gut.“ Doch bei Eltern, die eine Flucht aus dem Heimatland hinter sich haben, sei das längst nicht immer der Fall: Die Hälfte aller erwachsenen Flüchtlinge leide unter psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.

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Das Ziel: Den belasteten Eltern soll frühzeitig geholfen werden, sodass es gar nicht erst notwendig ist, dass Kinder psychologische Hilfe benötigen. 2019 sagte Schneider: „2024 würde ich gerne sagen, dass wir die Eltern ansprechen konnten.“

Seitdem haben 35 geflüchtete Familien aus Nordrhein-Westfalen und Bayern an der Studie teilgenommen, berichtet Karim Zagha, wissenschaftlicher Mitarbeiter. Khairia Amairy sagt: „Das Projekt ist wirklich sehr gut, auch für meine Kinder war die Teilnahme schön.“ Diese sind sieben, 13, 17 und 20 Jahre alt.

Von einer Freundin hört Amairy vor etwa einem halben Jahr von der Studie. Zwar leidet sie nicht unter psychischen Problemen, ist im Alltag aber immer wieder belastet und spürt die Herausforderungen. Zehn Wochen dauert die Teilnahme insgesamt. Die psychologisch basierte Behandlung übernimmt ein Hausarzt, der eigens für die Studie geschult wurde. Neben den vier Terminen beim Arzt gibt es wöchentliche Telefonkontakte mit Psychologen sowie Online-Module.

Karim Zagha arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bochumer Studie.
Karim Zagha arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bochumer Studie. © Funke Foto Services | Gero Helm

Hilfe für Alltagssituationen

Bevor Khairia Amairy, die sich tagsüber allein um die Kinder kümmert, während der Mann arbeitet, an dem Projekt teilgenommen hat, sei es in ihrer Familie öfter mal lauter geworden – von Seiten der Kinder, aber auch der Erwachsenen. „Das ist nun viel kontrollierter“, sagt sie. Die Kinder würden ihr besser zuhören. Das helfe der ganzen Familie.

Studie zur Flüchtlingsgesundheit

Die Studie ist im Juni 2019 gestartet und läuft fünf Jahre. Das Gesamtfördervolumen beträgt rund 2,9 Millionen Euro.

Das Projekt wird am Bochumer Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit koordiniert. Beteiligt sind außerdem die Abteilungen für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie das Zentrum für Gesundheitsökonomie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

„Die Teilnahme an dem Projekt könne den Familien in ganz verschiedenen Situationen helfen“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Karim Zagha. Die alltäglichen Herausforderungen seien manchmal andere als die Flüchtlingsfamilien sie aus ihrer Heimat kenne. Auch in solchen Situationen könne die Projektteilnahme helfen.

Weitere Projektteilnehmer gesucht

Das Projekt „Improve MH“ läuft noch bis kommendes Jahr, die Verantwortlichen wollen bis dahin weitere Menschen darauf aufmerksam machen: Teilnehmen können geflüchtete Elternteile jeglicher Herkunft, die Kinder zwischen null und sechs Jahren haben, englisch, deutsch oder arabisch sprechen und sich psychisch belastet fühlen (z. B. Ängste, Sorgen, Stress oder Niedergeschlagenheit erleben). Weitere Informationen zur Teilnahme gibt es hier: https://www.kli.psy.ruhr-uni-bochum.de/kkjp/kidsst/improve-mh/index.html