Bochum. Die Arbeitsmarktbilanz fällt in Bochum zufriedenstellend aus. Für das Jobcenter wird es aber schwieriger, Kunden zu erreichen. Es geht neue Wege.
„Zufriedenstellend“ ist das vielleicht am meisten benutzte Wort, das an diesem Montag bei der Bilanz zum Arbeitsmarkt in Bochum 2023 gefallen ist. Begeisterung klingt anders. Tatsächlich gibt es bedenkliche Signale: eine steigende Jugendarbeitslosigkeit, eine stagnierende Arbeitslosigkeit von Menschen ausländischer Herkunft auf hohem Niveau, eine erlahmenden Bereitschaft von Unternehmen, neue Arbeitsstellen anzubieten. Und: Es wird schwieriger, Menschen mit Hilfe- und Förderbedarf zu erreichen.
Jobcenter-Chef in Bochum hält Sanktionen für das falsche Mittel
Daraus den Schluss zu ziehen, es müssten mehr Sanktionen ausgesprochen werden etwa gegen Kunden des Jobcenters, die Termine nicht einhalten, ist nach Einschätzung von Bochums Jobcenter-Geschäftsführer Georg Sondermann der völlig falsche Weg: „Für uns war das nie ein großes Thema. Es war noch nie das richtige Mittel, Menschen zu sanktionieren. Unsere Sanktionsquote liegt bei gerade 0,7 Prozent.“
Er ist vielmehr überzeugt: „Wenn man sich auf Augenhöhe begibt und in den Dialog tritt, muss man Vereinbarungen über Rechte und Pflichten treffen.“ Das führe zum Erfolg.
Vor allem junge Jobcenter-Kunden sind schwieriger zu erreichen
Gleichwohl räumt er ein: „Es fällt uns zunehmend schwerer, die Menschen aufzuschließen, zu uns zu kommen. Insbesondere bei den jungen Menschen unter 25 lässt die Bereitschaft nach, mit uns zusammen zu wirken.“ Deshalb gehe das Jobcenter neue Wege. Vom nächsten Jahr an werde es in die Quartiere gehen; um Menschen dort zu beraten, wo sie wohnen. Auch Videokommunikation werde ein Weg sein. Denn: „Ohne Angebote ist eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt schwer möglich.“
Auch interessant
Gute Erfahrungen gemacht hat das Jobcenter vor allem mit dem Sozialen Arbeitsmarkt. 1106 Langzeitarbeitslose haben seit 2019 für bis zu fünf Jahre einen geförderten Arbeitsplatz erhalten. Etwa 150 von ihnen haben bislang oder werden voraussichtlich unbefristete Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten. Damit habe Bochum dazu beigetragen, so Sondermann, dass der zunächst befristete Soziale Arbeitsmarkt mittlerweile in eine unbefristete Maßnahme umgewandelt wurde.
OB Eiskirch verweist auf positive Erfahrung
Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) sieht in der aktuellen Debatte, ob Fördermaßnahmen in ausreichendem Maße angenommen werden und ob mehr Sanktionen nötig seien, einen falschen Akzent. „Ich möchte bei denen, die sich nicht bemühen, nicht weggucken. Aber ich will, dass man bei denen, die sich bemühen, auch hinguckt.“
Auch er führt positive Beispiele an: Angefangen etwa von den beiden früheren Langzeitarbeitslosen, durch deren Einsatz die Öffnungszeiten am Bismarckturm im Bochumer Stadtpark ausgeweitet werden konnten, bis hin zu erfreulichen Zahlen. 86 Personen sind derzeit bei der 2020 gegründeten Beschäftigungsfördergesellschaft Bochum in Lohn und Brot, mehr als weitere 20 haben Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden.
Mittel für Langzeitarbeitslose werden gekürzt
Einen Wermutstropfen bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gibt es trotzdem: Konnte das Jobcenter 2023 noch 7,7 Millionen Euro für 121 neue und für Dauerfördermaßnahmen vergeben, sind es 2024 nur noch 5,5 Millionen Euro; vorgesehen sind darin nur noch Mittel für 40 Neuförderungen. Der Grund: Das Gesamtbudget des Jobcenters Bochum wird nächstes Jahr voraussichtlich deutlich geringer ausfallen.
Zur Gesamtbilanz des Arbeitsmarkts in Bochum 2023: Einige Zahlen sind positiv. So hat sich die Beschäftigung in der Stadt „zum fünften Mal in Folge positiv entwickelt“, sagt Stephanie Hermann, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Bochum. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt, die Arbeitslosenquote liege immerhin stabil bei 8,6 Prozent, wie überhaupt der Arbeitsmarkt anders als noch vor einigen Jahren als robust betrachtet werden könne. Er habe der Corona-Pandemie ebenso getrotzt wie den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.
Viele Arbeitslose suchen Helferstellen; die aber sind rar
Allerdings bleibt die Lage schwierig. Und die Aussichten sind nicht rosig. Denn: Auf dem „Fachkräftemarkt Bochum“, auf dem 84 Prozent der knapp 165.000 sozialversicherungspflichtigen Stellen von Fachkräften, Spezialisten und Experten ausgefüllt werden, fehlt es an genügend Jobs für den Großteil derer, die keine Arbeit haben. Knapp 60 Prozent aller 16.912 Arbeitslosen in der Stadt suchen nach einer Helferstelle.
Fündig werden sie auf dem Arbeitsmarkt in der Regel aber nur, da sind sich Arbeitsagentur, Jobcenter und der Oberbürgermeister einig, wenn sie sich qualifizieren.
Hoffnungen setzen alle drei Akteure dabei auch auf den Eintritt von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Viele seien dabei, ihre Sprachausbildung zu beenden, und hätten gute Voraussetzungen, um einen Arbeitsplatz zu finden. Und: Die neue Förderung ausländischer Arbeitsloser mache ihre Integration einfacher, weil nicht mehr das höchste Sprachlevel verlangt werde. Vielmehr werde geprüft, so Jobcenter-Chef Sondermann, „ob ein Teil der Sprachausbildung auch während der Arbeit erfolgen kann“; ähnlich wie es bereits im Sprach- und Qualifizierungszentrum(Quaz) seit dessen Gründung 2018 geschieht.