Bochum. Beim Konzert im Musikforum in Bochum geht es wundersam zu: Endlich darf das Orchester schiefe Töne spielen! Das Publikum ist aus dem Häuschen.
Da glaubte man immer, im Laufe der Jahre schon so viel von den Bochumer Symphonikern gesehen und gehört zu haben – und dann das: Jetzt trampeln sie auch noch! Und sie rufen und juchzen, dass es eine helle Freude ist! So geschehen beim letzten „Von Herzen“-Konzert in diesem Jahr im Musikforum in Bochum, das als eines der ungewöhnlichsten in die Geschichte dieser noch jungen Reihe eingehen dürfte.
Bei den Symphonikern in Bochum quietschen die Geigen
Maßgeblich dafür verantwortlich ist der chinesische Komponist Tan Dun, dessen Konzert für Streichorchester und Zheng für Staunen und mach schallendes Gelächter im Saal sorgt. So verschmitzt wie radikal bricht er darin mit vielen gängigen Konventionen klassischer Symphoniekonzerte: Es beginnt mit einem festen Fußstampfer aller Musiker auf den Bühnenboden, verliert sich zwischendrin in einem herrlichen Quietschen der Geiger. Überhaupt werden die Instrumente oft mehr geschlagen als gespielt.
Als Motor dieses wilden Durcheinanders erweist sich Xu Fengxia, eine Meisterin auf der Guzheng, einer Art chinesischer Zither. Sie gibt Takt und Richtung vor, während sich die Zuschauer bisweilen fragen, ob die kunterbunte Aufführung überhaupt einem Notenblatt folgt. Auch Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang steht teilweise nur freudig lächelnd, aber halbwegs tatenlos daneben.
Tschaikowskys „Nussknacker“ als Best-of-Programm
Dafür hat der Dirigent in den beiden anderen Konzertteilen umso mehr zu tun. Tschaikowskys nur siebenminütiges „Auf den kommenden Schlaf“ wird wunderbar begleitet vom Philharmonischen Chor und versetzt den kompletten Saal in einen melancholischen Dämmerzustand. Doch die wundersame Stimmung besitzt durchaus etwas Beklemmendes.
Mit Tschaikowskys „Nussknacker“ folgt nach der Pause einer der Weihnachtsklassiker schlechthin. Chuang hat aus dem Märchen-Ballett eine Art Best-of-Programm gebaut und stellt den legendären Blumenwalzer an den Schluss. Energiegeladen und überaus konzentriert pflügen sich die Musiker durch das Meisterwerk, dessen Melodienreichtum immer wieder verblüfft. Dem süßen „Tanz der Zuckerfee“ verleiht James Maddox an der Celesta zierlichen, fast zerbrechlichen Glanz. Großer Jubel!