Bochum. Abgelegen, verwildert? Für Alexander Schulte genau richtig. Er sucht verlassene Orte – und ist am meisten an der Geschichte interessiert.
Die Kulisse ist gespenstisch: Eine verlassene Heilstätte mitten im Wald. Die Fenster sind zerbrochen, viele der orangen Ziegel sind bereits vom Dach gefallen. Im größten erhaltenen Fachwerkhaus Europas wurden einst Lungenkranke behandelt, heute ist die Klinik völlig verlassen.
Ebenso das Mausoleum, das mitten im Harz steht, das alte Polizeipräsidium in Frankfurt am Main oder das Dorf am Tagebau Garzweiler, das heute einer Szene von „The Walking Dead“ gleicht. Der Bochumer Alexander Schulte (30) besucht all diese Orte - und zeigt Videos und Fotos davon bei „Instagram“ und „TikTok“. Zusammen folgen ihm dort fast 300.000 Menschen.
Von Kirche bis Konzentrationslager
“Ich habe vor etwa drei Jahren angefangen, Lost Places und historische Orte zu suchen und zu erkunden“, erzählt Schulte, der hauptberuflich in der Finanzbranche arbeitet. Von Anfang an hatte er die Kamera dabei und hielt seine Abenteuer fest. „Ich habe bestimmt schon 300 Orte besucht“, schätzt Schulte.
Kirchen und Friedhöfe, militärische Stützpunkte und verlassene Villen sind ebenso dabei wie eine Geisterautobahn, ein Hexenpfad, Bunker und Konzentrationslager. „Am meisten interessieren mich Orte rund um den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, Mythen und Legenden“, sagt er.
Motto: Gegen das Vergessen
Gerade bei den geschichtsträchtigen Orten seien die Besuche oft emotional. „Das ist etwas ganz anderes, als eine Dokumentation zu gucken oder ein Buch zu lesen. Es geht um die Emotion und um Demut“, erklärt er. Im Vorfeld bereitet der gebürtige Hattinger sich ausgiebig auf seine Besuche vor und informiert sich über den Ort. Solches Wissen - etwa, wie viele KZ-Außenlager es in Nazi-Deutschland gab (ca. 1.000), teilt Schulte mit seinen Followern.
Sein Motto: Gegen das Vergessen. „Mit meinen Videos will ich aufklären, erinnern und dazu anregen, selbst aktiv zu werden“, sagt Schulte. Die richtigen „Lost Places“ verrät er in seinen Videos allerdings nicht und das hat einen guten Grund: „Die Recherche ist viel Arbeit, manche Orte sind auch Zufallsfunde oder ich habe sie gefunden, weil ich Menschen vor Ort angesprochen habe.“
Orte sollen geschützt bleiben
Wenn die Orte zu bekannt seien, führe das leider oft zu Vandalismus. Außerdem sollen seine Videos Anreiz sein, selbst nach verlassenen und historischen Orten zu suchen. Nicht immer sind die Orte frei zugänglich. „Dann stelle ich entweder vorher eine Anfrage beim Eigentümer oder fliege mit meiner Drohne über das Gelände“, erklärt Schulte.
Obwohl er auch schon in Polen, Frankreich und Belgien unterwegs war, hat er noch eine lange Liste, mit Orten, die er in Zukunft besuchen möchte. “Mich reizt der Spukwald Hoia in Rumänien und die Stabkirchen in Norwegen“.
Gruselige Besuche
Ob er sich schon einmal gegruselt hat? „Allerdings“, sagt Schulte. So wurde er bei einer Tour zu einer versunkenen Kapelle mitten in der Nacht im Wald verfolgt und hörte unheimliche Geräusche. An anderen Orten sind Kabeldiebe unterwegs, denen man besser nicht begegnet, berichtet Schulte.
Besonders grausam seien Besuche an Orten wie dem Konzentrationslager Bergen-Belsen oder Buchenwald, dem KZ-Außenlager Bittermark oder an der T4-Tötungsstation Hadamar. Sogar an einem Bunker, in dem sich Hitler aufgehalten haben soll, ist Schulte gewesen. Doch auch, wenn solche Besuche bedrückend seien können, lohnen sie sich. Schultes Oma hat ihm da einen passenden Rat gegeben: „Wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten.“
Tipps für Interessierte
Alexander Schulte ist auf Instagram und TikTok unter dem Namen „Blitzwinkel“ zu finden.
Wer einen Lost Place besuchen möchte, dem rät Schulte: Nicht alleine gehen, festes Schuhwerk und mit etwas Einfachem beginnen. Stets sollte man sich auf sein Bauchgefühl verlassen und keine Mutproben unternehmen.
Inspirationen mit Adressen finden sich durch Google-Suche unter dem Stichwort „Lost Place Bochum“