Bochum. Bauarbeiter durchbohren eine Gasleitung, wenig später explodiert ein Wohnhaus: Vor Gericht hat der Sohn ausgesagt, der leicht verletzt überlebte.
Er war auf dem Weg ins Bett. 10. Januar 2023, ein Dienstagabend. 21.44 Uhr zeigte die Uhr, „ich war gerade im Flur“, sagt der 36-Jährige, erinnert sich an ein Detail: Die Luftfeuchtigkeit habe unter 60 Prozent gelegen, den Gummibaum wollte er noch befeuchten. „Dann ist das Licht ausgegangen und ich bin runtergefallen.“
Eine Gasexplosion zerstört das Haus in Bochum-Linden, in dem er mit seinen Eltern wohnt. Die Mutter, die sich zu diesem Zeitpunkt im Erdgeschoss aufhält, stirbt in den Trümmern. Der Sohn überlebt mit leichten Verletzungen. Am Donnerstag hat er als Zeuge im Prozess um das Unglück ausgesagt.
Seit vergangener Woche stehen zwei Arbeiter einer Tiefbaufirma vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts. Die Anklage wirft dem 51-jährigen Vorarbeiter „fahrlässiges Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge“ vor, seinem 30 Jahre alten Kollegen fahrlässige Tötung. Bei Bohrarbeiten für Glasfaser-Kabelkanäle sollen sie eine unterirdische Gasleitung beschädigt haben, über Stunden strömte Gas aus, das schließlich zu der tödlichen Explosion führte.
Tödliche Explosion in Bochum: „War in Panik, wollte da raus“
Er wisse, dass das für den Zeugen ein schwerer Gang sei, sagt der Vorsitzende Richter Josef Große Feldhaus zu Beginn des Verhandlungstages. Was passiert sei, „werden Sie Zeit Ihres Lebens nicht mehr vergessen“. Auf dem Zeugenstuhl sitzt der heute 36-Jährige, wirkt aufgewühlt. Während seiner Befragung ringt er immer wieder mit Worten.
Das Licht ging also aus, das Haus brach in sich zusammen. An eine Detonation, einen Knall kann er sich nicht erinnern. „Ich glaub’, ich war taub“, sagt der Bochumer, er habe die Rettungskräfte wenig später auch kaum verstanden. Als er zu sich kam, habe er seine Brille nicht mehr aufgehabt, „irgendwas vom Dach lag auf mir“, das habe er herunterschieben und sich selbst befreien können. „Ich war in Panik, wollte ganz schnell da raus und meine Mutter finden.“
Rechtsmedizinerin: „Nur dem Zufall geschuldet, dass ihm nicht mehr passiert ist“
Ungefähr eine Stunde zuvor sei er noch im Erdgeschoss gewesen, dort habe die 61-Jährige ferngesehen, „ich wusste ungefähr, wo sie war“. Der Sohn krabbelte aus den Trümmern des Einfamilienhauses, lief zur Terrasse, versuchte von dort, seine Mutter zu erreichen. „Ich hab sie nie gefunden“, sagt er. Wenig später holten ihn Feuerwehrleute heraus. „In dem Moment hab ich nix gespürt.“
Ärzte attestierten dem damals 35-Jährigen Hautabschürfungen und -unterblutungen, kleinere Riss-Quetsch-Wunden. „So ein Sturz ist in hohem Maße lebensbedrohlich“, sagt Rechtsmedizinerin Dr. Nina Mahlke als Sachverständige im Gericht. Sie betont: „Es ist nur dem Zufall geschuldet, dass ihm nicht mehr passiert ist.“
Sohn will Entschuldigung der Angeklagten nicht hören
Körperlich sind keine Schäden geblieben. Eine Nacht blieb der junge Mann nach dem Unglück im Krankenhaus, sein Bruder brachte ihm Kleidung, der erste Weg nach der Entlassung führte die beiden zurück zur Keilstraße. „Mein Zuhause war weg, meine persönlichen Sachen waren weg.“
Wie es ihm in psychischer Hinsicht heute gehe, fragt Richter Große Feldhaus. „Muss“, sagt der Zeuge knapp. Eine psychotherapeutische Behandlung habe er nach einer Sitzung abgebrochen. „Ich wollte nicht mehr.“ Ob die Geschehnisse vom Januar noch oft hochkommen, will das Gericht wissen. Schweigen, dann: „Ja.“ Er träume zwischendurch von seiner Mutter.
Die Verteidiger sprechen dem Zeugen ihr Beileid aus, fragen ihn, ob die Angeklagten ihn persönlich um Entschuldigung bitten dürfen. Ob er das hören wolle, fragt der Vorsitzende Richter. Wieder schweigt der Zeuge kurz, dann sagt er: „Eigentlich nicht.“
Das Haus als Lebenswerk
Vater und Sohn wohnen inzwischen in Hattingen, hoffen aber auf eine Rückkehr zur Keilstraße. Ihnen sei von der Versicherung versprochen worden, „dass die das wieder aufbauen“, sagt der 36-Jährige vor Gericht.
Seine Mutter habe „ihr ganzes Leben“ in das Haus gesteckt, die Familie habe das alte Gebäude komplett renoviert. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, droht ihnen auch, Schadensersatz für das zerstörte Haus zahlen zu müssen. Der Wert wird auf 420.000 Euro geschätzt, hieß es am ersten Verhandlungstag.
Der Prozess wird fortgesetzt, Termine sind bis zum 27. Oktober geplant.