Wattenscheid-Eppendorf. In Eppendorf steht der Reitsimulator Sir George. Was 80.000 Euro gekostet hat, soll in Bochum Reitern auf ganz unterschiedlichen Ebenen helfen.
Manja Gille sitzt aufrecht im Sattel. Sie gibt etwas Druck mit den Schenkeln und lässt die Zügel leicht nach – Sir George trabt los. Gille reitet ein paar Bahnfiguren, vorwärts, seitwärts, auch Traversale und Piaffe beherrscht das schwarze Dressurpferd. Auf dem Bildschirm vor ihr flackert ein Reitplatz und eine saftig grüne Wiese. Dann nimmt Gille die Fernbedienung und schaltet Programm und Pferd ab.
Denn: Sir George ist kein normales Pferd – auch, wenn er optisch einem Friesenhengst schon ziemlich nahekommt und neben ihm Stroh und Stalltür aufgebaut sind. Sir George ist ein Reitsimulator, konzipiert in England und naturgetreu gebaut. Nur vier seiner Art gibt es in Deutschland. „Als ich gehört habe, dass es Reitsimulatoren gibt, bin ich nach Hannover gefahren, um es dort auszuprobieren“, erinnert sich die erfolgreiche Leistungssportlerin und Reittrainerin.
In Bochum: Sitz verbessern bis Angst abbauen
Schnell war ihr klar: „Den muss ich auch haben“, sagt die Bochumerin. Im März 2023 zog Sir George dann in Eppendorf an der Ruhrstraße ein – in ein ehemaliges Reisebüro und späteren Goldankauf-Laden. Hier empfängt Gille ihre Schülerinnen und Schüler zum Training. „Es kommen Anfänger ebenso wie Profis und Wiedereinsteiger“, erzählt Gille. Wie verbessere ich Sitz, Schenkelweichen und Schulter herein? Wie fühlt sich Galopp überhaupt an? Wie kann ich meine Technik verbessern, damit Lektionen reibungslos funktionieren? Die Ziele, die mit Sir George angegangen werden können, sind ganz unterschiedlich. Manche kommen auch nach einem Sturz, um Angst abzubauen oder als krankengymnastische Einheit, um Rückenschmerzen zu lindern.
Terminvereinbarung ist online möglich
Manja Gille ist Meisterin für Pferdewirtschaft, Springreiterin, Trainerin B im Leistungssport, Neuro-Reider-Trainerin und Psych-K-Coach.
Gille war Westfalenmeisterin, und Landesmeisterin in Brandenburg im Springsport und ist national bekannt.
Der Reitsimulator Sir George hat eine eigene Website: www.sg-reitsimulator.de. Dort können Termine gebucht werden. Ebenso findet sich Sir George auf Instagram.
Pferdeliebe in die Wiege gelegt
„Hier auf dem Bildschirm bekommt man direkt angezeigt, wenn ein Druck oder Zug zu fest war“, sagt Gille und zeigt auf den Bildschirm. Wer möchte, kann auch durch Berglandschaften oder vorbei an Kirchen durch die virtuelle Welt reiten. Während der Trainingsstunden kann die Reitlehrerin direkt eingreifen und korrigieren. „Bei mir selbst klappt die Traversale nach links wieder viel besser, seit ich auf dem Reitsimulator trainiere“, erzählt Gille, der ihre Pferdeliebe schon in die Wiege gelegt wurde. „Mein Vater war Olympiareiter“, sagt sie.
Knapp 120 Euro pro Stunde
Der Kalender von Sir George ist gut gebucht. „Die Schülerinnen und Schüler kommen auch außerhalb Bochums“, sagt die Reiterin. Knapp 120 Euro kostet eine einstündige Trainingseinheit. „Aber was man hier in einer Stunde lernt und verbessert, dafür braucht man mit einem echten Pferd vielleicht zehn Reitstunden“, verspricht sie. In der Anschaffung kostet der Reitsimulator 80.000 Euro, in der Variante als Springpferd kommen noch einmal 40.000 Euro oben drauf.
Gille sieht das Geld gut investiert: „Manche Reiter wundern sich, warum ihr Pferd nicht so reagiert, wie sie meinen, die Hilfen zu geben. Das überprüft Sir George und ich korrigiere sofort“, erklärt Gille, die mit dem Reitsimulator auch mobil unterwegs ist. „Sir George hat einen eigenen Anhänger, mit dem ich auch zum Beispiel Reitställe besuchen kann“ sagt sie.
Auch für Pferdehaarallergiker sei der Simulator eine gute Chance, ein Reiterlebnis zu haben. „Er schmeißt niemandem aus dem Sattel und frisst nur Strom“, sagt Gille augenzwinkernd. Sie hat sich sogar schon dabei erwischt, wie sie beruhigend „brrrhh“ gemacht und dem nachgebauten Pferd auf die Schulter geklopft hat. Alles kann Sir George dann aber doch nicht: „Das Schmusen, und das Teamwork fehlt“, sagt Gille.