Bochum/Herne/Witten. Im Bochumer Polizeibezirk wurden 2022 deutlich mehr Straftaten mit Bezug zu kriminellen Clans registriert. Die Kripo hat dafür eine Erklärung.
Im Bereich der Bochumer Polizeibehörde ist die Anzahl der Straftaten mit Bezug zur Clankriminalität im vergangenen Jahr um fast 30 Prozent angestiegen. Landesweit hingegen betrug der Anstieg im Vorjahresvergleich nur 20,3 Prozent.
Das geht aus dem „Lagebild Clankriminalität NRW 2022“ hervor, den das Landeskriminalamt jetzt veröffentlicht hat.
Demnach wurden in Bochum, Herne und Witten im vorigen Jahr 389 Straftaten mit Bezug zu türkisch-arabischstämmigen Großfamilien registriert. Im Jahr davor waren es 299. Eine Aufsplitterung der Zahlen zwischen den einzelnen drei Städten liegt noch nicht vor. Die Anzahl der Tatverdächtigen stieg um 24 auf 225 im Jahr 2022 an.
„Starker Anstieg der Rohheitsdelikte“ auf der Straße
Kriminaldirektorin Marion Künemund, stellvertretende Leiterin der Direktion Kriminalität, erklärte die Zunahme u.a. mit dem Ende der Corona-Zeit; dadurch hätten sich mehr Tatgelegenheiten auf der Straße ergeben. „Das drückt sich im starken Anstieg der Rohheitsdelikte aus, die meist auf der Straße und nicht im häuslichen Bereich stattgefunden haben“, sagte sie im WAZ-Gespräch. Zu Rohheitsdelikten gehören zum Beispiel Körperverletzung, Raub und Bedrohung.
Weiter sagte die Kriminaldirektorin: „Wir werden die neuen Erkenntnisse des Lagebildes weiter analysieren. Dann werden wir Schwerpunkte auf Kontrollmaßnahmen legen, örtlich beziehungsweise zeitlich.“
Trotz der Zunahme der Fallzahlen ist der Bezirk des Bochumer Polizeipräsidiums weiterhin keine Hochburg bei der Clankriminalität. Gelsenkirchen, der Kreis Recklinghausen und vor allem Essen liegen bei den Fallzahlen deutlich höher.
Landesweit wurden 6573 Straftaten mit Bezug zu Clankriminalität bekannt
Landesweit wurden im vorigen Jahr 6573 Straftaten mit Clan-Bezug verbucht; 5,9 Prozent davon fanden auf Bochumer, Herner und Wittener Gebiet statt. Tatverdächtig waren 225 Beschuldigte, fast alles Männer. Am meisten geht es landesweit um Rohheitsdelikte sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit wie etwa Einsperren von Menschen (30,9 Prozent).
Das LKA erklärt: „Das Verhalten einiger krimineller Clan-Angehöriger zeichnet sich durch ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft aus, welches durch das Mitführen von Waffen wie beispielsweise Messern, Teleskopschlagstöcken oder Schusswaffen unterstrichen wird. Die Durchsetzung eigener Normen und Werte äußert sich in der Bedrohung von Opfern sowie der Gewaltbereitschaft gegenüber anderen.“ Dann nennt die Behörde ein Beispiel aus Bochum vom vorigen August:
Streit unter verfeindeten Familien: Mit Pistole an der Schläfe bedroht
Zwei Angehörige eines in sich verfeindeten Clans trafen in einer Shishabar aufeinander. Dabei bedrohte und provozierte ein türkischstämmiger Familienangehöriger den anderen Mann, sodass beide aus dem Lokal verwiesen wurden. Hintergrund sollen langanhaltende Auseinandersetzungen zwischen zwei Familien innerhalb des Clans gewesen sein, weil die Ex-Frau des türkischstämmigen Tatverdächtigen nun mit einem Angehörigen des anderen Familienzweigs verheiratet sei.
2171 Einsatzstunden der Polizei
301 Polizeikräfte waren im Jahr 2022 in Bochum, Herne und Witten bei Einsätze gegen die Clankriminalität im Einsatz (Essen: 5211 Kräfte). 2171 Stunden waren sie dabei unterwegs.
18 Wettbüros, elf Shisha-Bars und 64 weitere Objekte haben sie kontrolliert. Bei 550 Personen haben sie die Identität festgestellt.
Nach diesem Vorfall rief der Sohn des Bedrohten bei der Mutter des Tatverdächtigen an, beleidigte ihre Söhne und forderte sie auf, diese zurückzuhalten. Im Gegenzug wurde der Vater des Bedrohten vor dessen Wohnung in ein unbekanntes Auto für ein gemeinsames Gespräch eingeladen. „In dem voll besetzten Pkw verhielten sich die Insassen dem Vater gegenüber verbal aggressiv“, so das LKA. „Der Pkw fuhr zu einer Shishabar mit rund 40 anwesenden Personen. In der Lokalität wurde der Vater mehrfach durch eine Schusswaffe an seinem Kopf mit dem Tode bedroht, wenn sein Sohn sich nicht für seine vorherigen Aussagen entschuldige.“ Die Szene wurde auch gefilmt.