Bochum. Mit Leib und Seele ist Michael Marondel Optikermeister. Nun schließt er seinen Laden in Bochum. Die Nachfolgesuche hat ihn frustriert und empört.
Kurz vor zehn hat Michael Marondel sein Geschäft an diesem Montag an der Brückstraße in der Innenstadt von Bochum aufgeschlossen – so wie an nahezu jedem anderen Tag in den vergangenen 23 Jahren. Oft wird er das nicht mehr tun. Ende des Monats schließt die Optik Galerie Marondel. Der Inhaber geht in den Ruhestand und findet einfach keinen Nachfolger.
Trotz Corona hat der Optikermeister den Umsatz gesteigert
„Dabei brummt das Geschäft“, sagt der 64-Jährige. „Wirtschaftskrise, Corona-Pandemie. Ich habe mich immer gehalten, ja in den vergangenen Jahren den Umsatz sogar noch gesteigert. Und das trotz der gefühlt 25 Optikerläden allein in der Bochumer Innenstadt.“
Die Optiker-Dichte in der City ist tatsächlich beträchtlich. Allein im Radius von ungefähr 100 Metern um Marondels Geschäft gibt es zwei Mitbewerber. Die Menschen brauchen Brillen – 67 Prozent der Deutschen sind Brillenträger, so eine Zahl des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) aus dem Jahr 2019. Und sie geben auch einiges dafür aus. Knapp 6,7 Milliarden Euro betrug der Branchenumsatz im Vorjahr.
Optiker-Branche leidet unter Fachkräftemangel
Aber: Die Zahl der Läden sinkt. Wie überhaupt auch die Optiker allmählich den Fachkräftemangel spüren. 42 Prozent von 968 befragten Innungsbetrieben haben im ersten Quartal 2023 Fachpersonal gesucht. „68 Prozent der freien Stellen konnten am Ende nicht besetzt werden“, so der ZVA.
Natürlich hat auch Michael Marondel mit potenziellen Nachfolgern gesprochen. Es waren ernüchternde Gespräche, wie er sagt. Die Work-Life-Balance habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. „Da haben Leute die Vorstellung, nur drei Tage in der Woche zu arbeiten und monatlich 7000 Euro netto zu verdienen. Aber diese Rechnung geht nicht auf.“
Dabei könnte er sich sogar vorstellen, dem Nachfolger an ein oder zwei Nachmittagen in der Woche zur Seite zu stehen, die Stammkundschaft weiter zu binden und sein Wissen und seine Fähigkeiten einzubringen. „Optik“, sagt Michael Marondel, „ist Präzision“ – von der Messung bis zum Aussuchen und Anpassen eines Brillengestells. Sieben, acht Schritte, die alle perfekt passen sollten. Das sei sein Anspruch. Und genau das mag er so an seinem Beruf.
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50 Wochen im Jahr im Geschäft und nur wenig Urlaub
Er selbst ist vor 23 Jahren ein hohes Risiko eingegangen, als er sich selbstständig gemacht hat. „470.000 Mark habe ich damals investiert. Das Geschäft hier ist ein Erstbezug. Und die ersten Jahre war viel trockenes Brot“, räumt er ein. Aber: Seine Beharrlichkeit und seine Maxime, nicht schönen Schein, sondern gute Leistungen anzubieten, haben sich ausgezahlt.
Dass er fast ein Vierteljahrhundert lang 50 Wochen im Jahr gearbeitet und wenig Urlaub gemacht hat, bedauert er nicht. „Ich mache diesen Beruf wirklich gerne. Und es tut auch weh, ihn aufzugeben.“ Aber irgendwann ist auch mal gut. Zumal: „Ich stehe vor einer größeren Knieoperation.“ Ein Fußballer-Leiden. Der gebürtige Grummer hat einst für die VfL-Amateure in der Verteidigung gespielt. Heute fällt ihm das Treppensteigen aus dem Erdgeschoss mit dem Beratungsbereich und der Werkstatt hinauf zum Messgerät und wieder immer schwerer. Er muss unters Messer.
Kunden bedauern die baldige Schließung
So hat er denn begonnen, seiner Kundschaft die traurige Botschaft von der Ladenschließung mitzuteilen. Auf seiner Homepage bedankt er sich für ihre Treue. Und jedem, der in diesen Tagen den Optikerladen betritt, wird er sagen, dass am 31. August für ihn Schluss ist. So wie dem ersten Kunden an diesem Montag, der neue Pads – die Plättchen, die an der Nase anliegen – benötigt und sie eben gewechselt bekommt. „Es ist wirklich schade, dass sie aufhören“, sagt er zum Abschied. „Ja“, sagt Marondel, „Ende des Monats mache ich zu.“
Das heißt: Nicht so ganz. Das Messgerät im Obergeschoss ist zwar schon verkauft und wird in einigen Wochen abgeholt. Aber einem Stammkunden, der erst am 31. August aus dem Urlaub zurückkommt, wird Michael Marondel in der ersten September-Woche noch eine neue Brille anpassen. So viel Service für treue Kunden muss schon sein.