Bochum. Strom für E-Autos und Wärmepumpen lassen den Bedarf nach oben schnellen. Bochums Stromnetz ist darauf nur bedingt vorbereitet.
Fast 800 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom haben die Stadtwerke Bochum im vergangenen Jahr über das von ihnen selbst betriebene Netz im Stadtgebiet an Kunden geliefert. Als lokaler Marktführer bedienen sie mehr als 70 Prozent der Stromkunden in Bochum. Weitere 1,56 Millionen kWh gingen an Verbraucher außerhalb des Konzessionsgebiets.
Mehr Strom für E-Autos kann das Netz derzeit bereitstellen
Angesichts des wachsenden Energiebedarfs durch E-Mobilität und Wärmeversorgung fragen sich Beobachter, ob das hiesige Stromnetz für die Anforderungen der Zukunft gewappnet ist.
Bedingt. „Auf die Mehrbelastung durch den Anschluss von privaten Wallboxen ist das Bochumer Stromnetz gut vorbereitet“, heißt es in einer Antwort des Energieunternehmens auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Rat. Der wachsende Strombedarf für E-Autos werde ja nicht gleichzeitig abgerufen. „Es wird nichtsdestotrotz bei hoher Durchdringung von Wallboxen in einigen Ortsnetzen notwendig sein, mittel- und langfristig Netzverstärkungen und -erweiterungen durchzuführen“, heißt es – dies allerdings im Rahmen des schon bislang üblichen Umfangs.
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Für die „All-electric“-Welt ist das Stromnetz nicht ausgelegt
Anders sieht es bei der klimafreundlicheren Wärmeversorgung und weiteren stromintensiven Nutzungen aus. „Elektrische Wärmepumpen sowie auch öffentliche Ladeinfrastruktur sind deutlich netzkritischer, da hier davon auszugehen ist, dass die volle Leistung von allen Anlagen gleichzeitig benötigt wird“, heißt es in besagter Antwort an die FDP-Fraktion. „Auf diese gleichzeitige Lastspitze ist das Bochumer Stromnetz aktuell nicht ausgelegt.“
Wozu das führen kann, hat der Wohnungsriese Vonovia in Dortmund erfahren. Weil dort die Netze zu schwach sind, mussten die meisten der von dem Unternehmen bis Mai installierten Wärmepumpen noch abgeschaltet bleiben – immerhin 70 von 115.
Bei annähernd vollständiger Elektrifizierung der Wärmeversorgung sowie des Verkehrssektors gehen die Stadtwerke Bochum derzeit von mehr als einer Verdreifachung der heutigen Spitzenlast aus. Darauf muss das Stromnetz vorbereitet werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, arbeite das Unternehmen an Lösungskonzepten. Schon jetzt sei klar, dass für eine „All-electric“- Welt bis 2045 fast alle der 13 Umspannwerksstandorte sowie weite Teile des Leitungsnetzes ausgebaut werden müssten.
Stadtwerke betreiben ein 4300 Kilometer langes Stromnetz
Das Stromleitungsnetz in Bochum hat eine Länge von etwa 4300 Kilometern. Das entspricht der Fahrtstrecke von Bochum nach Jerusalem. Etwa 54 Millionen Euro investiert das städtische Unternehmen nach Auskunft von Sprecher Christian Seger allein in diesem Jahr in seine Infrastruktur, mehr als 26 Millionen Euro davon in das Stromnetz. Die Modernisierung des Umspannwerks Linden ist die nächste große Maßnahme.
Überhaupt steht das städtische Tochterunternehmen vor großen Herausforderungen. Ein Milliarde Euro will es in den nächsten Jahren in die Energiewende stecken. Neben einem leistungsfähigeren Stromnetz ist das Ziel dabei vor allem der Ausbau des 230 Kilometer langen Fernwärmenetzes. Im Herbst sollen dafür die Pläne vorgestellt werden.