Bochum-Querenburg. Die über 100 Jahre alte Kastanie stand unter Naturschutz. Zuletzt starb der Baum ab und wurde gefällt. Was die Nachbarn als Ursache vermuten.

Nach dreieinhalb Stunden war alles vorbei: Die über 100 Jahre alte Kastanie, ein Naturdenkmal in der Wohnstraße Auf dem Aspei, ist gefällt. Ast für Ast sägte die Fachfirma den Baum ab, während am Stamm noch das Schild „Naturdenkmal“ hing. Er trug zuletzt kein Laub mehr. Die untere Naturschutzbehörde hatte im Frühjahr dieses Jahres festgestellt, dass der Baum abgestorben war.

Viele Nachbarn verfolgten am Freitagmorgen das Geschehen, fotografierten und filmten das Abholzen; ihnen war der Ärger ins Gesicht geschrieben. Für die Anwohnerinnen und Anwohner steht fest: Die neue Wohnbebauung hat den Baum zerstört.

Neubebauung mit zwei Wohnhäusern entstand vor vier Jahren

Das hatte auch der Naturschutzbeirat ausgemacht. Es habe rechtswidrige Überschreitungen zulasten der Lebensfähigkeit des Naturdenkmals gegeben: Wurzeln wurden gekappt, im Wurzelbereich wurde eine Tiefgarage errichtet.

Dazu die Stadt Bochum: Im Jahr 2017 bis 2019 wurde auf dem Grundstück, auf dem der Baum steht, eine Neubebauung umgesetzt. Der Bau wurde durch eine ökologische Baubegleitung betreut. Eine Schädigung des Baums durch den Bau konnte in den ersten Jahren nach dem Bauvorhaben nicht festgestellt werden.

Ein Gutachten im Auftrag der Stadt kam zu dem Ergebnis, dass die Bewässerung des Baumes zu einem Sauerstoffmangel im Wurzelraum der Edelkastanie geführt haben könnte. Dies kann zum Absterben von Wurzeln führen. Das sei aber bislang nicht nachweislich belegbar.

Seit 57 Jahren in der Nähe des Baums gewohnt

„Ich kenne den Baum seit zehn Jahren“, sagt Ralf D’Arti, obwohl er kein unmittelbarer Anwohner ist. „Der hat immer so schöne Früchte getragen. Seit das Haus gebaut wurde, ging er kaputt.“ Eine Nachbarin verfolgte das Fällen von ihrem Balkon aus, machte ein paar Fotos. „Ich wohne hier seit 57 Jahren. Es ist einfach traurig.“

Nachbarin Elisabeth von Roden, die seit 40 Jahren Auf dem Aspei wohnt, ist wütend: „Ich bin enttäuscht über den Umgang der Stadt mit Bäumen, und das in Zeiten des Klimawandels.“ Zwar sei das Grundstück, auf dem zwischen 2017 und 1019 die neuen Wohnungen gebaut wurden, in Privatbesitz.

Doch ihr missfalle die Art und Weise, wie jetzt alles über die Bühne gegangen sei. „Es fehlen Transparenz und Kommunikation im Stadtteil.“ Von Roden hatte Politiker und den Baummanager mit einem leidenschaftlichen Appell angeschrieben: „Ich halte es für sehr wichtig, die wirklichen Ursachen klar zu benennen, damit man für die Zukunft daraus lernen kann. Ich halte es für wichtig, die Schuldigen nach dem Verursacherprinzip zur Kasse zu bitten.“

Holz des Baumes soll dem Stadtteil erhalten bleiben

Auch Christel Blum-Gaytandjiev wohnt in Baumnähe. Sie sagt: „Es wurden viele Fehler begangen in der Bauphase. Bagger rissen Äste ab, Beton floss in Wurzelnähe, die Tiefgarage wurde zu dicht angebaut. Die Baufirma ging zu rustikal vor.“

Anwohner Philipp Unger gehört dem Verein „University meets Querenburg“ an, der zur Begegnungs- und Straßenkultur im Querenburger Raum beitragen will. Und der will zumindest die Baumsubstanz erhalten. „Wir haben vom Eigentümer die Zusage bekommen, dass wir das Holz der Kastanie erhalten. Der Hof Bergmann in Laer wird das Material für uns zu Tischen und Bänken verarbeiten. Die wollen wir auf dem Buscheyplatz aufstellen.“

Johannes Tangen engagiert sich in dem Gemeinschaftsgarten Hof Bergmann. Er verfolgte das Fällen der Kastanie. „Mit den Ästen stapeln wir eine Trockenhecke für Vögel bei uns auf. Aus dem Stamm schreinern wir dann die Sitzmöbel.“ Nach gut dreieinhalb Stunden brachte die Firma Feldmann das Holz direkt zum Hof. Für die gefällte Kastanie soll laut Stadt ein Ersatzbaum gepflanzt werden.