Hattingen/Bochum. Ungewöhnliche Blicke auf die Metropole Neapel wirft Patrick Borchers in einer Ausstellung auf Haus Kemnade – und zeigt die versteckten Ecken.

In der italienischen Hafenstadt Neapel leben etwa eine Million Menschen. Sie ist ein Schmelztiegel der Kulturen und faszinierte schon so berühmte Reisende wie Johann Wolfgang von Goethe, der während seiner Italienreise 1786 mächtig ins Schwärmen geriet: „Neapel sehen und sterben“, notierte er damals.

Neue Ausstellung auf Haus Kemnade wirft Blick auf Neapel

Der in Herdecke geborene Künstler Patrick Borchers widmet der Metropole jetzt eine ungewöhnliche Ausstellung im Kunstverein Haus Kemnade: Zu sehen sind keine touristischen Hotspots, sondern versteckte Ecken der Stadt, Seitenstraßen und Hinterhöfe. Seine Werkgruppe „Neapelkomplex“, die jetzt erstmals komplett gezeigt wird, besteht aus Videos, Fotografien und Zeichnungen, die Borchers während eines Aufenthalts in Neapel 2018 anfertigte.

„Ich liebe es, durch fremde Städte zu laufen und mich dort einfach treiben zu lassen“, erzählt er. Frei nach dem Motto „Raus aus dem Hotel – und dann links die Straße runter“ erkundet er die Orte zwanglos, fast immer zu Fuß und meist ohne Fremdenführer in der Hand: „Ich gehe auch wenig in Museen, sondern verbringe die Zeit lieber in kleinen Cafés oder Restaurants, wo man mit den Menschen am besten ins Gespräch kommen kann. Das mache ich in Berlin genauso wie in Neapel.“

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Hinterhöfe, Treppen, kleine Gassen

Von vielen dieser Hinterhöfe, Treppen und kleinen Gassen, die ihm während seines Städtetrips begegneten, macht er Fotos und Videos. Im Zentrum der Ausstellung auf Haus Kemnade steht eine großformatige Videoarbeit, die die komplette hintere Wand einnimmt. Dadurch wirkt der Raum des Kunstvereins um einiges größer. Der etwa zweiminütige Film, der in Dauerschleife läuft, zeigt einen menschenleeren Hof im Zentrum Neapels, die Geräusche der Straße und Menschen dahinter sind gut zu hören. Borchers filmte die Szene absichtlich frei mit der Hand, ohne Stativ, was zur Folge hat, dass der Film gelegentlich etwas wackelt.

Dabei spielt er geschickt mit der Erwartungshaltung der Betrachter, denn natürlich wartet man unwillkürlich darauf, dass etwas passiert. Läuft gleich jemand umher? Öffnet jemand eine Tür? „Nichts wird geschehen“, verrät der Künstler.

Auf einem Balkon mitten in Neapel schmettert jemand „Paris, Paris“

Eine andere Videoarbeit zeigt einen typischen italienischen Balkon. Das bunte Treiben auf der Straße darunter hat Borchers absichtlich abgeschnitten. Ein vorbeifahrender Lkw wirkt so, als würde sich ein Theatervorhang öffnen. Dann tritt ein älterer Herr auf den Balkon und schmettert aus Leibeskräften „Paris, Paris“, was ein skurriler und lustiger Moment ist. „Obwohl die Arbeit vor der Corona-Pandemie entstanden ist, erinnert sie durchaus an die vielen Balkon-Konzerte während dieser Zeit“, sagt Reinhard Buskies vom Kunstverein.

Neapels Müllberge werden künstlerisch veredelt

Den problematischen Seiten dieser riesigen Stadt ist Patrick Borchers ebenfalls künstlerisch nachgegangen, denn über viele Jahre versank Neapel sprichwörtlich im Müll. „Während meiner Touren durch die Stadt habe ich einige dieser Müllberge heimlich mit der Kamera aufgenommen und sie später in Ruhe im Atelier nachgezeichnet“, erzählt er.

An den Neapolitanern schätzt Borchers vor allem ihre freundliche, herzliche Art, die sich auch in der Ausstellung niederschlägt. „Für mich ist das eine Hommage an Neapel, aber nicht aus einem touristischen Blickwinkel. Das ist eine ungemein lebendige Stadt.“

Zu sehen bis 20. August

Die Ausstellung „Neapelkomplex“ von Patrick Borchers ist zu sehen bis 20. August im Kunstverein auf Haus Kemnade (An der Kemnade 10). Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Eintritt frei.

Ausstellungen führten Borchers unter anderem nach Berlin, Stuttgart, München und Österreich Neben seiner Arbeit als Künstler ist er Dozent für Zeichnung und Grafikdesign an der TU Dortmund.