Bochum. Bochumer Berufsschüler lernen erst seit einem Jahr Deutsch, trotzdem trauen sie sich auf die Theaterbühne. Ihr Stück hat eine bewegende Aussage.

Musik ertönt. Schüler Menat blickt hinter dem dunklen Vorhang hervor. „Das ist ja interessant. Was machen Sie denn hier?“, fragt er die Zuschauenden und tritt hervor. Ein besonderes Theaterstück beginnt.

Weitere junge Menschen treten auf die Bühne. Sie alle haben gemein, dass sie erst seit ein oder zwei Jahren in Deutschland leben, die Sprache zuvor nie gesprochen haben. Unbeeindruckt davon tragen sie mit Selbstbewusstsein und guter Betonung ihre Texte vor – und spielen ein Stück, dessen Message berührt und nachdenklich macht.

Bochumer Integrationsschüler entwickeln Theaterstück: Gegen Rassismus, für Toleranz

Seit Anfang des Jahres entwickelt und probt die Integrationsklasse (IK 21) des Walter-Gropius-Berufskollegs in Bochum ihr Stück „Ankommen! Wohin?“. Die Schule am Ostring hat im vergangenen Jahr den Abraham-Pokal erhalten. Er soll junge Menschen ermutigen, gegen Rassismus und Intoleranz in der Gesellschaft aktiv zu werden.

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„Diese Auszeichnung fordert dazu auf, ein Jahr lang Projekte und Unterrichtsvorhaben zu Antidiskriminierung und für mehr Toleranz durchzuführen sowie in den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu gehen“, erklärt Deutschlehrerin Ayke Steinbrink.

Das Theaterprojekt ist ein Teil dieser Bestrebungen und wird von Steinbrink und Schulsozialarbeiterin Annekathrin Neuendorf begleitet. Maßgeblich beteiligt war außerdem Schauspielpädagoge Marco Spohr, unter dessen Regie das Stück letztendlich entwickelt wurde.

Stück entwickelt sich durch Improvisationstheater

An elf Terminen haben sie sich mit den 14 Schülerinnen und Schülern getroffen. Die Ausgangsfrage lautete: Was erlebt ihr? Gestartet wurde mit Improvisationstheater und einem recht typischen Mittel: einer Haltestelle. Dort sammeln sich die Beteiligten und kommen in den Austausch. „Deutschland ist Papier, Papier, Papier“, lautete ein Einwand.

Dieses Zitat ist Teil der zweiten Szene des Stücks, immer wieder gibt Spohr den jungen Schauspielenden Tipps: „Wie sollst du auf die Bühne kommen? Genau, wütend!“ Inhaltlich geht es um Bürokratie in der neuen Heimat. Mit mehreren Briefen in der Hand zählt Schüler Nima auf: „Oh schön, wie immer: Stadt Bochum, Jobcenter, Versicherungen, Krankenkasse, Bogestra...“.

Schauspielpädagoge Marco Spohr hat mit Schülerinnen und Schülern des Walter-Gropius-Berufskollegs ein Theaterstück entwickelt.
Schauspielpädagoge Marco Spohr hat mit Schülerinnen und Schülern des Walter-Gropius-Berufskollegs ein Theaterstück entwickelt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die Gruppe spricht anschließend über das, was ihr in Deutschland fehlt: die Familie, Freiheit, Musik, ein guter Job oder ein Ausbildungsplatz. Hauptdarsteller Menart versucht, die Wünsche wahr werden zu lassen. Immer wieder macht es „Pling, pling“, die aufgestellte Wünschebox scheint Erfolg zu haben. Doch als Ahmad seinen Wunsch äußert, hört man auf einmal ein lautes Donnern aus dem Hintergrund.

Schülerinnen und Schüler fordern im Theaterstück: „Wir wollen Frieden“

„Ich wünsche mir ein Deutschland ohne Rassismus“, sagt er. Das Stück nimmt eine Wendung, die Schülerinnen und Schüler zitieren rassistische Beleidigungen. Schlimme Aussagen, die sie alle selbst schon hören mussten. Sie kommen zu dem Schluss: „So kann es nicht weitergehen“ und fordern: „Wir wollen Frieden.“

Danach sagen sie – auf Deutsch und in all ihren Herkunftssprachen – „Frieden und Sicherheit sind das Wichtigste im Leben.“ Im Hintergrund erscheinen zuerst Fakten über Rassismus und dann die klare Botschaft: „Stoppt Rassismus!“

„Stoppt Rassismus“, so lautet die Botschaft hinter dem Stück.
„Stoppt Rassismus“, so lautet die Botschaft hinter dem Stück. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Applaus für junge Schauspielende

Die Generalprobe für die Aufführung in der Schule am Freitag ist geschafft, in der Aula des Walter-Gropius-Berufskollegs ertönt Applaus. Auch von Schulleiter Christian Schulz, der begeistert vom Schauspieltalent der jungen Menschen ist.

Amir berichtet im Anschluss an die Probe: „Das sind alles Dinge, die wir erlebt haben.“ Es sei den Schülerinnen und Schülern nicht leicht gefallen, Dinge auszusprechen. Doch am Walter-Gropius-Berufskolleg hofft man, den Zuschauenden die Augen damit zu öffnen – und so Themen wie Integration und Toleranz zu fördern.