Bochum-Ost. Ein historischer Kirchhof in Bochum wird dieser Tage 400 Jahre alt – das belegen drei Grabsteine. Steinerne Zeitzeugen einer spannenden Epoche.
„Anno 1623 den 10. April ist Katrine zum Schefen in Got entslaffen“ – so steht es in großen Buchstaben auf dem ältesten Grabstein des historischen Ümminger Kirchhofs in Bochum-Langendreer. Dieser Stein zeugt davon, dass ab ca. 1623 begonnen wurde, dort rund um die schon Jahrhunderte alte kleine Bauernkirche Tote zu bestatten – vor 400 Jahren also.
Historischer Kirchhof in Bochum birgt spannende Geschichten
Der historische Kirchhof ist Teil des evangelischen Friedhofs an der Ecke Alte Ümminger Straße/Auf den Rüggen, zwischen Wittener Straße und A 448 gelegen. Bis vor ein paar Jahren war er zu großen Teilen nicht mehr erkennbar. Nur zahlreiche Grabsteine waren auf der Rasenfläche zu sehen.
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Auf Initiative des Langendreerer Hobby-Historikers Clemens Kreuzer gelang es 2018, das historische Fleckchen Erde innerhalb von zwei Jahren zu restaurieren und für die Nachwelt zu erhalten. Wochenende für Wochenende verbrachten Kreuzer und viele ehrenamtliche Helfer dort auf allen vieren, um alte Mauerreste der Kirche, die einst dort stand, freizukratzen. Auch die Grabsteine wurden überarbeitet.
Kreuzer kommt auch am kommenden Sonntag, 23. April, eine wichtige Rolle zu, wenn die evangelischen Kirchengemeinden Querenburg und Langendreer zusammen zum 400-Jährigen des Kirchhofs vor Ort einen besonderen Gottesdienst feiern (siehe Info-Box). Der 81-Jährige wird im Rahmen der Freiluftveranstaltung einen kurzen Vortrag über die historische Bedeutung des Kirchhofs halten.
Historischer Kirchhof in Bochum: Alte Kirche noch 500 Jahre älter
Kreuzer kennt sich mit der Geschichte aus. Er hat sich nicht nur für den Erhalt des Kirchhofs eingesetzt, sondern im Anschluss auch ein Buch über ihn geschrieben. „Der alte Kirchhof von Ümmingh“ heißt das fast 100 Seiten starke Werk.
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Darin steht auch, dass der Ümminger Kirchhof als Begräbnisstätte in diesen Wochen zwar exakt 400 Jahre existiert. Doch die Kirche, um die herum dieser zweitälteste „Bauernkirchhof“ auf heutigem Bochumer Stadtgebiet entstand – Stiepel ist laut Kreuzer etwas älter – gab es da bereits rund 500 Jahre. „Sie war im Mittelalter Mittelpunkt eines Gebietes, das neben Ümmingen, Laer, Querenburg sowie westliche Randgebiete von Langendreer und Werne umfasste“, erklärt Kreuzer.
Aber sie war damals noch keine Pfarrkirche, sondern eine Filiale ihrer Mutterkirche St. Peter in Bochum (die heutige Propsteikirche), der nicht alle Rechte und Funktionen einer Pfarrkirche zustanden. So fand unter anderem die Beerdigung der Toten auf dem Kirchhof der Mutterkirche in Bochum statt.
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Doch das änderte sich mit der lutherische Reformation, die 1609 in Ümmingen eingeführt wurde. „Der seit 1616 dort tätige Prediger Dietrich Schluck, der zuvor Schulrektor und Magister der Schule in Bochum sowie Prediger in Wattenscheid war, öffnete sieben Jahre nach seinem Amtsantritt in Ümmingen den dortigen Kirchhof für Bestattungen der Gemeindemitglieder und kappte damit eine der letzten Verbindungen zur Pfarrkirche in Bochum“, weiß Clemens Kreuzer zu berichten.
Gemeinden feiern 400 Jahre Reformation
Für Pfarrer Zimmer, Vorsitzender des Presbyteriums der evangelischen Gemeinde Querenburg, ist der Grabstein mit dem Datum 10. April 1623 Nachweis für 400 Jahre Reformation im Bochumer Südosten. Und „ein Grund zum Feiern“, was am Sonntag, 23. April, um 11 Uhr mit einem Open-air-Gottesdienst auf dem alten Kirchhof in Ümmingen getan wird. Die Predigt im Gottesdienst wird von Pfarrer Jörg-Martin Höner aus Langendreer gehalten, die Liturgie gestaltet Zimmer. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes übernimmt der Bläserchor der Kirchengemeinde Langendreer.
Die Buchhandlung Gimmerthal ist mit einem Bücherstand mit lokalhistorischer Literatur vertreten. Ab 13 Uhr kann man auf dem Hof Schulte Ümmingen, Wittener Straße 529, eine Bildershow zur Geschichte des Friedhofs erleben.
Obwohl der Friedhof Ümmingen in Langendreer liegt, ist seit 2008 die evangelische Gemeinde Querenburg für ihn verantwortlich. Nach der Auflösung der Gemeinde Ümmingen Ende der 60er Jahre hatte die fortan selbstständige Gemeinde Laer die Verwaltung übernommen. Diese wurde dann mitsamt des Friedhofs 2008 an Querenburg abgetreten.
Dietrich Schluck begann im Frühjahr 1623 mit den Begräbnissen auf dem Ümminger Kirchhof, rund um die Kirche. „Es gibt zwar keine pergamentene Urkunde, die davon berichtet, aber es gibt drei steinerne in Gestalt noch kleiner, fast unscheinbarer Grabsteine, deren Inschriften mitteilen, dass sie Toten des Frühjahrs 1623 gewidmet wurden“, sagt Clemens Kreuzer. Der älteste von ihnen teilt wie anfangs erwähnt mit: „Anno 1623 den 10. April ist Katrine zum Schefen in Got entslaffen“. Sie war laut Kreuzer Bäuerin des alten Querenburger Hofes Scheve, der in mehreren historischen Verzeichnissen des 15. bis 18. Jahrhunderts genannt werde.
Drei Grabsteine erinnern an Begräbnisse im Frühjahr 1623
Der nächste Stein, der auf dem Ümminger Kirchhof gesetzt wurde, galt der am 20. Mai 1623 verstorbenen Trine Vitingk zu Vimelhus. Kreuzer: „Sie war also aus Wiemelhausen, wo der Hof Viting in mehreren Höfeverzeichnissen der frühen Neuzeit aufgeführt ist.“
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Der dritte Stein aus dem Frühjahr 1623 hat die Inschrift: „Anno 1623 den 31. Mai ist Henrich Beckmann ihm Herrn selig entschlafen“. Er stammte Kreuzer zufolge nicht von jenem Beckmann-Hof, der zum Gästehaus der Ruhr-Universität wurde und erst seit dem 19. Jahrhundert Beckmann hieß, sondern von dem weitaus älteren Hof gleichen Namens, der unterhalb des Kalwes an der Becke, also dem Bach, lag.
„Alle drei Steine bezeugen den Anfang der Friedhofsanlage im Frühjahr 1623, die nächsten kamen Anfang 1624 hinzu“, erklärt der Hobby-Historiker, für den der historisch interessanteste Stein der zweite für Trine Vitingk zu Vimelhus ist, „da Wiemelhausen nicht zur Filialgemeinde Ümmingen gehörte, sondern wie auch Altenbochum und Hamme, Grumme usw. unmittelbar zur Stadtgemeinde St. Peter in Bochum“. Dass die Frau dennoch in Ümmingen zu Grabe getragen wurde und nicht in Bochum, wo sie nach den Regeln der damaligen Zeit eigentlich hätte beerdigt werden müssen, spreche für eine besondere Situation: Sie oder ihre Familie seien offenbar konsequente Lutheraner gewesen, die eine letzte Ruhestätte der Verstorbenen bei der Pfarrkirche als neues Zentrum der damals von katholischer Seite gestarteten Gegenreformation nicht akzeptieren mochten.
Wegen der Pest: Hobby-Historiker glaubt an mehr Begräbnisse vor 400 Jahren
Clemens Kreuzer bezweifelt, dass 1623 auf dem Kirchhof Ümmingen nur diese drei Toten beerdigt worden sind, denen die Grabsteine gesetzt wurden. „Denn es grassierte die Pest, und die hat sicher zahlreiche Opfer gefordert.“ Für Kreuzer gehört es zur Tragik der Kirchhofgründung von Ümmingen, dass zu den Pesttoten von 1623 auch Dietrich Schluck gehörte, der Gründer. „Wenige Wochen, nachdem er die vorgenannten Toten beerdigt hatte, raffte ihn selbst Anfang Juli 1623 die Pest dahin. Einen Grabstein für ihn gibt es nicht.“