Bochum. Im Streit um eine Markise hat ein Shisha-Bar-Chef aus Bochum gegen Werbe-Regeln der Stadt geklagt. Warum er gewonnen hat und was das bedeutet.

Die Gestaltungssatzung für die Bochumer Innenstadt ist außer Kraft gesetzt. Jetzt wird der Anlass bekannt: eine Terrassenüberdachung, die einem Gastronomen verweigert worden war. Er klagte gegen die Stadt – und sorgte damit dafür, dass die Satzung ebenso Makulatur ist wie ein 100.000 Euro teurer Leitfaden.

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2020 hatten die Stadt und die City-Interessengemeinschaft IBO die Gestaltungssatzung auf den Weg gebracht. Ziel: den (O-Ton) Werbe-Wildwuchs in der Innenstadt mit grellen LED-Anzeigen, Bling-Bling und Reklametafeln zu stoppen. Ein begleitendes Handbuch, für ein sechsstelliges Honorar verfasst von einem Dortmunder Architekturbüro, legte auf 260 Seiten verbindlich fest, wie Fassaden, Schaufenster, Außengastronomie und Werbeträger fortan aussehen sollten.

Gestaltungssatzung in Bochum: Terrassenüberdachung war nicht erlaubt

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bescherte dem Regelwerk ein schnelles Aus. Genauer: Mohammad Ishaqcada. Seit 2018 betreibt er die Sisha- und Cocktailbar „Mufasa“ an der Widumestraße, unweit des Bergbaumuseums. 2021 wollte er die Außenterrasse mit ihren 70 Sitzplätzen mit einer 100 Quadratmeter großen Pergola-Markise überdachen. Die Stadt lehnte den Bauantrag ab – „mit Hinweis auf die neue Gestaltungssatzung, die an dieser Stelle nur Schirme zulasse“, bestätigt Gerichtssprecher Wolfgang Thewes auf WAZ-Anfrage.

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Der Gastronom klagte – und gewann. „Unverhältnismäßig“ seien die Vorgaben, bescheinigte das Verwaltungsgericht der Stadt. Auf 16 Seiten wird aufgeführt, warum die Satzung über die strittige Markise hinaus rechtlich keinen Bestand haben könne.

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Verwaltungsrichter: Stadt Bochum muss ganz von vorne anfangen

Die zentrale Kritik der Verwaltungsjuristen: Die Satzung galt für die nahezu komplette Innenstadt, vom Nord- bis zum Südring, vom West- bis zum Ostring. „Zu pauschal“, meint das Gericht. Gefordert wird ein kleinteiligeres, abgegrenztes Regelwerk, „das die individuellen Besonderheiten und Baustile eines Viertels berücksichtigt“, schildert Wolfgang Thewes. „Da muss die Stadt Bochum ganz von vorne anfangen.“

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Das ist inzwischen passiert. Nachdem der Rat 2022 einen „Nichtanwendungsbeschluss“ gefasst hatte, werde im Rathaus aktuell an einer Neufassung gearbeitet. Sie werde den Geltungsbereich – wie vom Gericht verlangt – verkleinern und „ab Anfang 2024 zur gestalterischen Verbesserung des Innenstadtbildes beitragen“, so Stadtsprecherin Tanja Wißing.

Der Stein des Anstoßes: Die „Mufasa“-Bar am Nordring kann die Außenterrasse mit einer Markise überdachen. Die Schirme sollen verschwinden.
Der Stein des Anstoßes: Die „Mufasa“-Bar am Nordring kann die Außenterrasse mit einer Markise überdachen. Die Schirme sollen verschwinden. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Markise soll in Kürze angebracht werden

Dass seine Klage die Gestaltungssatzung zu Fall brachte, erfuhr Mohammad Ishaqcada erst in dieser Woche von der WAZ. „Nachdem wir gewonnen hatten, haben wir die Sache nicht weiter verfolgt“, sagt er und kündigt an, von seinem juristischen Sieg nun auch Gebrauch zu machen: „Die neue Terrassen-Markise ist bestellt und soll noch in diesem Monat angebracht werden.“

Spannend: Mohammad Ishaqcada bedankt sich bei seinem Rechtsanwalt Wolfgang Dressler. Der war bis 2022 Chef der Wattenscheider Werbegemeinschaft – und damit mit der neuen Gestaltungssatzung für die Wattenscheider Innenstadt befasst. Die Bezirksvertretung hat sie jetzt einstimmig von der Stadt Bochum gefordert. Ein Debakel wie in der Bochumer City sei nicht zu befürchten, meint Dressler: „Der Geltungsbereich umfasst bei uns nur den Kernbereich mit den 1a- und 1b-Lagen. Damit dürfte die Wattenscheider Satzung rechtssicher sein.“