Bochum. Die Matthias-Claudius-Schule Bochum hat eine Berufspraxisstufe für ältere Schüler. Nun drohte das Ende, aus schwer nachvollziehbaren Gründen.

Aufatmen an der Matthias-Claudius-Schule in Bochum: Die Gesamtschule ist dafür bekannt, die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung beispielhaft zu leben. Doch ein elementarer Teil der pädagogischen Arbeit drohte wegzubrechen: Die sogenannte Berufspraxisstufe sollte schließen, das inklusive Angebot sei nicht für eine Gesamtschule vorgesehen, so die Bezirksregierung. Das konnte nun abgewendet werden.

Die Berufspraxisstufe der evangelischen Gesamtschule in privater Trägerschaft besuchen Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“. Lehrkräfte begleiten die Schülerinnen und Schüler nach der zehnten Klasse im Berufsfindungsprozess, sie bekommen Unterstützung bei der Suche nach einem Praktikumsplatz oder Gesprächen mit möglichen Arbeitgebern.

Bochumer Gesamtschule hat seit 25 Jahren Berufspraxisstufe – nun sollte sie schließen

„Das gibt es so seit über 25 Jahren“, erklärt Schulleiter Holger Jeppel. Eine offizielle Genehmigung für die Berufspraxisstufe hatte die Gesamtschule in Weitmar nie. Allerdings sei immer bekannt gewesen, dass es sie gibt. „Wir haben unter anderem dafür den deutschen Schulpreis und einen Inklusionspreis erhalten“, berichtet Jeppel.

Holger Jeppel leitet die Matthias-Claudius-Schule in Bochum.
Holger Jeppel leitet die Matthias-Claudius-Schule in Bochum. © MCS

Im Schulgesetz von 2016 allerdings steht, dass es Berufspraxisstufe nur in Förderschulen geben darf, nicht aber an Regelschulen. Trotzdem wurde die Existenz der Berufspraxisstufe auch nach 2016 lange nicht in Frage gestellt, im Gegenteil: Sie wurde teilweise sogar als zusätzliche Klasse an der Gesamtschule mit einberechnet.

Bis vor Kurzem eine Information von der Bezirksregierung Arnsberg kam: Die Berufspraxisstufe dürfe nicht länger fortbestehen. „Wir haben daraufhin einen Antrag gestellt, dass wir die Kinder stattdessen in unser bestehendes Berufskolleg eingliedern“, erklärt der Schulleiter. Am 10. März sei auch das von der Bezirksregierung abgelehnt worden.

Verzweiflung an der Matthias-Claudius-Schule in Bochum

Die Verzweiflung an der Matthias-Claudius-Schule war groß, bei Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern. „Wie kann es sein, dass so ein gutes Modell eingestellt wird?“, fragte man sich. „Die Inklusion ist so erfolgreich, weil wir eine Perspektive über die zehnte Klasse hinaus bieten“, sagt Jeppel. Sie mache es möglich, dass nicht wenige Jugendliche einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt erhielten.

Für die betroffenen Jugendlichen, die noch schulpflichtig sind – etwa 14 an der Zahl – drohte der Wechsel an eine Förderschule oder direkt in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung– möglicherweise mit schlechterer Zukunftsperspektive. „Das wollen auch die Eltern nicht, die Situation ist sehr emotional“, so der Schulleiter am vergangenen Mittwoch.

Berufspraxisstufe wird nun doch geduldet

Einen Tag später dann die Kehrtwende.. „Die Berufspraxisstufe als Organisationsform ist schulrechtlich grundsätzlich nur für Förderschulen (...) vorgesehen. Die Matthias-Claudius-Gesamtschule hat jedoch seit langen Jahren gute Erfahrungen mit dieser Form der individuellen Förderung gemacht (...)“, erklärt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, gegenüber der WAZ.

Vor diesem Hintergrund sei in Abstimmung mit dem Ministerium für Schule und Bildung geprüft worden, inwieweit eine Fortführung möglich ist. Söbbeler: „Da im konkreten Fall die Eltern ihre Entscheidung bewusst für diesen Standort mit dieser Konzeption getroffen haben, wird die Fortsetzung dieses Inklusionskonzeptes geduldet.“

Die Erleichterung an der Gesamtschule in Weitmar ist groß, bei Schulleiter Holger Jeppel und den Lehrkräften ebenso wie bei den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern.