Bochum-Langendreer. Ein Ehrenmal erinnert in Langendreer an Kriegsgefallene. 2010 wurde ihm der Kopf gestohlen – nicht zum ersten Mal. Die ganze kuriose Geschichte.
Der Soldat lehnt am steinernen Pfeiler, Gewehr in der linken, den Helm in der rechten Hand, allein: Anstelle eines Halses ragt ein nackter Metallstift aus dem Kragen. Kopflos steht der Krieger an der Kreuzung von Unterstraße und Alter Bahnhofstraße in Langendreer. Hinter Bochums Denkmal Nummer A618 steckt eine bemerkenswerte Geschichte.
Der Ursprung
Sommer 1929. Das Ende des 1. Weltkrieg liegt fast elf Jahre zurück, da setzt Langendreer seinen 956 gefallenen Soldaten ein 8,50 Meter hohes Denkmal. Die Jahreszahlen 1914-1918 sind auf der Seite zu lesen, eine Tafel dokumentiert die Namen der 956 Gefallenen. „Einst kommt der Tag, da alle Welt euren Ruhm verkünden wird!“, steht auf der Rückseite der Säule.
Und auch die Lokalberichterstattung im „Bochumer Anzeiger und General-Anzeiger“ über die Einweihung zeugt vom Geist der Zeit. Der steinerne Krieger, heißt es, schaue „sinnend in die Weite, hin zu den Schlachtfeldern (...), in denen Langendreers Söhne ruhen“. Von „Heldensöhnen“ ist zu lesen, von „treuer Pflichterfüllung“, „rechtem deutschen Männertum“ und „edler Mütterlichkeit“.
Die Kritik
Nach dem 2. Weltkrieg fehlen die Tafeln mit den Namen, „eventuell bei den Metallsammlungen für Waffen eingeschmolzen“, vermutet die Stadt Bochum, die die Pflege des Mahnmals übernommen und es unter Denkmalschutz gestellt hat. 1968 wird der Pfeiler um die Jahreszahlen 1939-1945 ergänzt, um auch an die Gefallenen des 2. Weltkriegs zu erinnern. Manch einer versteht in dieser Erweiterung in Kombination mit der Inschrift auf der Rückseite eine revanchistische Drohung. Kriegsverherrlichend sei das Denkmal, finden die Kritiker.
Die Enthauptung
1987 gipfeln die Diskussionen in einer ersten „Enthauptung“: „Helden sind Narren“ sprühen unbekannte Täter am 25. Oktober 1987 auf das Denkmal, hebeln den Kopf ab und setzen dem Soldaten einen Narrenkopf auf. Das Denkmal symbolisiere Krieg, Unterdrückung und Faschismus, heißt es in einem anonymen Bekennerschreiben.
Jahre vergehen – weiter mit kontroversen Diskussionen: Sollte man den Kopf ersetzen? Oder bekenne man sich damit zum Geist des Monuments? 1992 wird eine Tafel ergänzt, die die Beschädigung aufgreift und erklärt, dass das Denkmal „Mahnmal gegen den Krieg und seine Verherrlichung“ sein solle.
Ein neuer Kopf
2004 setzt sich die Ehrenmalsvereinigung durch. Zusammen mit dem Verkehrs- und Geschichtsverein Langendreer sowie privaten Spendern kommen gut 10. 000 Euro zusammen. Und der Soldat bekommt einen neuen Kopf. Man wolle damit „den Respekt der Bürger vor den Lehren der Geschichte“ dokumentieren. Die Erklärtafel zur Beschädigung verschwindet.
Sechs Jahre später schlagen erneut Unbekannte zu. In einer Nacht- und Nebel-Aktion entfernen sie brachial den Kopf, beschädigen dabei auch Helm und Hand des Soldaten. Sie werden nie gefasst.
Das Denkmal heute
So steht der kopflose Soldat nun da, bis heute. „Schön sieht das nicht aus“, sagt Dieter Maiweg, seit vielen Jahren Vorsitzender der Ehrenmalsvereinigung. „Wir haben uns ja fast an den Zustand gewöhnt.“
Ganz abfinden damit kann oder will Maiweg sich dann aber doch nicht. Im Verein gebe es nach wie vor Überlegungen, den Kopf ein weiteres Mal zu ersetzen. „Wer weiß“, sagt der 78-Jährige, „vielleicht ergeht es uns dann wie beim letzten Mal...“ Aber: „Wir bleiben am Ball.“ Die Geschichte von Denkmal Nummer A 618 ist noch nicht am Ende.