Bochum-Langendreer. Wappen haben eigentlich nur Adelshäuser, Länder und Städte. In Bochum sogar ein Stadtteil. Eine besondere Geschichte, die vor 100 Jahren begann.
Es gehört zum Langendreerer Stadtteilbild wie das Amtshaus, das Ehrenmal mit dem kopflosen Soldaten und der alte Müser-Turm: das Wappen. Für Langendreer ist es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, es gehört einfach dazu und begegnet einem überall im Ort. Dabei ist dieses Wappen gar nicht offiziell. Denn eigentlich sind diese Symbole Adelsfamilien, Ländern und Städten vorbehalten – und nicht Stadtteilen...
Bochum: Wie vor 100 Jahren ein besonderes Wappen entstand
Die besondere Geschichte begann vor 100 Jahren und hat mit dem damaligen Bestreben Langendreers zu tun, zusammen mit Stockum, Somborn und Werne eine eigene Stadt zu gründen. „Als es in den 1920er Jahren um eine kommunale Neuordnung des Ruhrgebiets und dabei um die Auflösung der Landkreise ging, engagierten sich die politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Langendreerer und Werne größtenteils dafür, die Orte des ehemaligen Gerichts- und späteren Amtsbezirks zu einer sogenannten Mittelstadt zusammenzuschließen“, weiß Hobbyhistoriker Clemens Kreuzer aus vielen Recherchen.
Vor allem die Langendreer-Werner Zeitung, (die 1948 zur Lokalausgabe Langendreer der WAZ werden sollte) habe sich damals stark für die Stadtwerdung Langendreers eingesetzt. „Ihr damaliger Verlag gab 1923 das ,Langendreerer Heimatbuch’ heraus, das der örtliche Konrektor Emil Tetzlaff verfasste“, weiß Kreuzer zu berichten. „Auf dem Titel des Buches war ein von Tetzlaff entworfenes Stadtwappen für eine künftige Stadt Langendreer abgebildet), im Buchinnern der Wappenentwurf gedeutet und begründet.“
Diese Begründung ist sehr interessant. Die drei silbernen Wellenlinien auf dem roten Hintergrund stellen laut Tetzlaff die drei bedeutenden Bäche von Langendreer dar. „Es lassen sich jedoch nur zwei nachweisen“, meint Clemens Kreuzer. Er habe alle Archive mit Bochumer Stadtgeschichte durchforstet, aber immer nur zwei gefunden. Den Langendreerbach als Hauptbach, laut Kreuzer auch Mühlenbach genannt, und den Salweidenbach. „Den von Tetzlaff ebenfalls aufgeführten Eschbach konnte ich auf keiner Karte finden“, sagt der 85-Jährige.
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Der Turm im oberen Teil des Wappens soll laut Kreuzer eine goldene Stadtmauer zeigen. Die rote Farbe stehe für Blut und soll – weitergedacht – den uralten Gerichtsort Langendreer symbolisieren, erklärt Kreuzer weiter. Im frühen 17. Jahrhundert habe es das „Gericht Langendreer“ als Herrschaftsgebiet der Herren von der Borch gegeben, zu dem auch Werne, Stockum und Somborn gehörten, weiß Kreuzer. „Napoleon löste das ,Gericht Langendreer’ Anfang des 19. Jahrhunderts auf, doch um die Mitte desselben Jahrhunderts wurde das Gebiet des alten Gerichtsbezirks zum ,Amt Langendreer’ im Landkreis Bochum.“
Protest gegen Eingemeindung
Am 1. August 1929 kam es zur Eingemeindung von Langendreer und Werne nach Bochum. Dagegen hatte sich zuvor großer Widerstand formiert. Anderswo (z.B. Linden und Dahlhausen) ging die Eingemeindung ruhiger vonstatten.
Die Ambitionen Langendreers und Wernes, eine eigene Stadt zu gründen, waren aus Sicht von Clemens Kreuzer nachvollziehbar: „Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schritt die industrielle Entwicklung gerade hier enorm voran. Insbesondere der Alte Bahnhof, Kaltehardt und Langendreerholz wurden zunehmend zu Siedlungsschwerpunkten.“
Auch sei ein neues Gemeindezentrum mit dem Amtshaus, dem Amtsgericht und dem Gymnasium (die heutige Lessingschule( entstanden. „Dazu hatte Langendreer zwei Bahnhöfe, eine Filiale der Reichsbank und das Gemeindekrankenhaus, das später die Knappschaft übernahm.“ Am Ende habe man gegen den „ruhrgebietliche Neugliederungsprozess“ aber keine Chance gehabt.
Obwohl sich die Träume einer selbstständigen Stadt Langendreer nicht erfüllten und Tetzlaffs Entwurf nie offiziell wurde, begeistert sich Langendreer bis heute für das Ortswappen. Es ziert die Titel zahlreicher heimatkundlicher Schriften. Handwerker und Geschäftsleute fügten es in ihre Werbung ein und einige tun es auch heute noch. In zahlreichen Vereinsfahnen blieb es lebendig; das (leider geschlossene) Heimatmuseum im Amtshaus, das es schon in seinen Hinweisschildern zeigt, besitzt eine Reihe alter Fahnen mit dem Wappen, darunter die des Löschzuges Alter Bahnhof der Freiwilligen Feuerwehr.
Traditionsbewusst lässt es ein Bürger in seinem Garten flattern. Auch auf dem Hof Schulte-Uemmingen über dessen ehemaliger Remise tritt das Wappen in Erscheinung, hier um den Schriftzug „Ümmingen“ ergänzt. Für den öffentlich in vielfacher Weise engagierten Verein „Langendreer hat’s“ ist es zum Vereinslogo geworden. Und auch der Turnverein Langendreer von 1882 greift darauf zurück.
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Clemens Kreuzer verwundert all das nicht. Langendreer sei halt – im positiven Sinne – sehr eigen und auf die eigene Geschichte bedacht. Da passt ein eigenes Wappen – Stadt hin oder her – gut ins Bild.