Bochum-Altenbochum. In Bochum werden in einem Wohnviertel die Häuser aufgestockt. Das große Projekt verunsichert die Anwohner. Sie fühlen sich allein gelassen.
Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das der gemeinnützige Wohnungsverein Bochum eG (GWV) in Bochum-Altenbochum angeht: Um neuen Wohnraum (72 zusätzliche Wohnungen) zu schaffen, werden einige Wohnhäuser am Dornbusch/Ecke Velsstraße aufgestockt. Ein neues Haus wird zudem gebaut. Die Anwohner sehen die Maßnahme skeptisch und fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen. Die WAZ hat GWV, Stadt und Politik mit den zehn Kritikpunkten konfrontiert.
Bochum: Wohnhäuser werden aufgestockt – Anwohner in Sorge
1. Bei Starkregen stehen immer wieder die Keller unter Wasser. Ein Problem, das die ganze Umgebung betrifft – speziell die Velsstraße, die dann zu einer Seenlandschaft wird...
Da könne man aktuell nicht viel machen, heißt es aus dem Rathaus. Die Kanäle im Bereich Altenbochum seien nicht zu klein, sagt Marko Siekmann, Kanal- und Entwässerungsexperte aus dem Tiefbauamt. Bei den immer häufiger auftretenden Starkregenereignissen käme oft alles zusammen: sehr viel Regen, verstopfte Abläufe, fehlende Rückschlagventile in Kellern… Christian Knibbe und Micha Heimbucher vom Vorstand des GWV versprechen ihren Mietern, diese fehlenden Rückschlagventile bis Frühjahr einbauen zu lassen. Es werde zudem geprüft, die Regenrinnen vom Kanalnetz abzukoppeln und das Regenwasser von dort auf dem Gelände versickern zu lassen.
Aus Sicht der Stadt genau der richtige Ansatz. Jede Maßnahme, das Wasser auf dem Grundstück zu halten, sei gut und entlaste das Kanalnetz. Daher werde bei Bauprojekten wie diesem auch immer ein Überflutungsnachweis verlangt. Generell arbeite man im Rathaus derzeit an Regenwasserkonzepten. Das dauere aber noch. Aktuell stehe die Erneuerung von Kanälen im Vordergrund.
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2. Schon jetzt gibt es im Viertel großen Parkdruck. Die Anwohner fürchten, dass sich die Situation mit 72 weiteren Wohnungen zusätzlich verschärfen wird.
Aktuell gibt es laut GWV 69 Parkplätze für 124 Wohnungen. Laut Planung sind nach Aufstockung und Neubau insgesamt 152 Parkplätze vorgesehen, so der GWV-Vorstand. Mit der Tiefgarage, die für den Neubau des sechsgeschossigen Neubaus weichen muss, entfielen 36 Stellplätze. Dafür kämen aber 34 in der neuen Tiefgarage hinzu. Diese stünden zunächst den Hausbewohnern zu, aber auch anderen Nachbarn, sollte es noch freie Plätze geben.
3. Die Parkplätze werden laut Anwohnern zu dicht an den Häusern und direkt vor den Schlafzimmern gebaut und sorgen dort für viel Lärm, gerade bei Schichtdienst. Auch verschwinde so viel Grün.
Der GWV versichert, dass nicht alles zugepflastert werde. Für die Parkplätze würden so etwas wie Rasengittersteine verwendet. Das Ganze würde auch durch die Bäume, die größtenteils stehen bleiben, aufgelockert. „Dazwischen passen dann höchstens drei Pkw“, so Micha Heimbucher. Auch wolle man sich mit den Parkplätzen entgegen der Ursprungsplanung „weiter weg von den Fassaden“ orientieren. Lärm könne natürlich nicht völlig verhindert werden. „Aber es wird nicht so sein, dass alle zwei Minuten jemand rein- und rausfährt“, ist Christian Knibbe überzeugt. Die Grünanlage wolle man grundsätzlich aufwerten mit Bänken, Spielmöglichkeiten und Bepflanzung.
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4. Anwohner fürchten, dass die alten Bäume zwischen den Wohnblöcken weichen müssen.
„Wir wollen möglichst viele Bäume halten“, versichert Micha Heimbucher. „Vor allem die alten Bäume spielen eine große Rolle. Wir versuchen, um sie herum zu bauen.“
Anwohner fürchten: Zwei Etagen mehr sorgen auch für mehr Schatten
5. In der Nachbarschaft ist die Sorge groß, dass eine Aufstockung (drei Häuser bekommen zwei Etagen aufgesetzt, eines nur ein Geschoss) auch für mehr Verschattung der unteren Wohnungen führt.
„Diese Sorge kann ich verstehen“, sagt Heimbucher. „Im unteren Bereich kann es vereinzelt zu einer anderen Sonneneinstrahlung kommen.“ Insgesamt aber sei die Verschattung „hinnehmbar“. Man habe „immer noch viel Abstand zwischen den Gebäuden“.
6. Viele Anwohner sorgen sich, künftig die Miete nicht mehr zahlen zu können.
Es stimmt, dass sich die Mieten erhöhen werden. Das bestätigt der GWV. Um wie viel, hänge am Ende von den Baukosten und möglichen Förderungen, die gegengerechnet würden, ab. „Es ist aber in der Regel so, dass wir als gemeinnütziger Wohnungsverein die gesetzlich möglichen Mieterhöhungen nicht ausschöpfen“, sagt Christian Knibbe. Man agiere zwar wirtschaftlich, werde aber auch sozialverträglich denken und die Erhöhungen moderat halten. Bei Härtefällen werde man nach individuellen Lösungen suchen und womöglich eine alternative Wohnung anbieten. „Wir hatten aber noch nie den Fall, dass jemand ausziehen musste“, so Knibbe.
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7. Es heißt, bei den Aufzügen, die außen an die Gebäude gesetzt werden, hätten nur die neuen Mieter wirkliche Barrierefreiheit. In den bisherigen Geschossen hält der Aufzug zwischen den Etagen. Es geht also entweder die Treppe rauf oder runter.
„Das stimmt“, sagt Micha Heimbucher. Das Treppenhaus mache dem GWV einen Strich durch die Rechnung. Es sei aber künftig auch für Bestandsmieter komfortabler, in die Wohnungen zu gelangen.
CDU kritisiert Versiegelung durch Neubau
Auch die Politik befasst sich mit der geplanten Nachverdichtung/Aufstockung an Dornbusch und Velsstraße in Altenbochum. Allgemein wird die Schaffung von neuem Wohnraum begrüßt. Die CDU Altenbochum spricht sich jedoch weiter ausdrücklich „gegen eine weitere Flächenversiegelung im Stadtteil und somit auch gegen den Neubau eines weiteren Hochhauses aus“. Die wenigen Freiflächen im Stadtteil Altenbochum, der insgesamt in den letzten Jahrzehnten enorm nachverdichtet worden sei, sollten gerade in einem so innenstadtnahen Stadtteil zur Versickerung und als Frischluftschneisen erhalten bleiben, sagt Bezirksvertreter David Schary.
In der Bezirksvertretung Mitte war seine Partei im September 2022 mit einem Vorstoß, den Bau des sechsgeschossigen Hauses abzulehnen, mehrheitlich gescheitert. Aus Sicht der SPD bedeute dies aber nicht, dass man die Entwässerungsprobleme nicht ernst nehme. „Uns ist von der Verwaltung versichert worden, dass man die Probleme technisch in den Griff bekommen werde“, sagt Bezirksvertreter Holger Schneider. Man wolle das weitere Bebauungsplan-Verfahren aufmerksam verfolgen und bei Bedarf kritisch hinterfragen.
„Ich kann die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner sehr gut verstehen“, sagt Raphael Dittert, für die Grünen Vorsitzender des Ausschusses für Mobilität und Infrastruktur. „Die aktuelle Entwässerungssituation wird aber fortlaufend überprüft und verbessert.“ Dittert will erfahren haben, dass der Kanal am Glockengarten 2025 vergrößert werden soll.
Auf die Entwässerungssituationen achte man bei den Grünen gerade bei Nachverdichtungen besonders, ergänzt Bezirksvertreter Fabian Krömling. „Wie man zum Beispiel bei der neuen Bebauung an der Querenburger Straße sehen kann, wo zwei große Mulden mit insgesamt 400 Quadratmeter Grünfläche für eine bessere Entwässerung sorgen. Wasserhaltung spielt bei allen zukünftigen Bebauungen in Bochum eine große Rolle.“
8. Einige Anwohner fürchten, die Statik könnte zum Problem werden.
Micha Heimbucher versichert, dass die Grundvoraussetzungen für eine Aufstockung gegeben seien. „Wir haben extra einzelne Fundamente ausgeschachtet, um sie zu untersuchen. Sowohl ein Geologe (wegen der Bergbauvergangenheit) als auch ein Statiker haben alles geprüft und halten die Maßnahme für vertretbar. Jetzt gehen die Untersuchungen noch weiter in die Tiefe.“
Aufstockung von Häusern in Bochum-Altenbochum: Anwohner vermissen Mitspracherecht
9. Weil der Dachboden künftig wegfällt, müssen Anwohner ihre Trockenräume aufgeben und sie verlieren auch einen Kellerraum, heißt es.
„Aktuell haben die Mieter je zwei Keller und einen Trockenraum oben“, so Heimbucher. „Künftig müssen wir alles natürlich neu aufteilen, werden aber auch alles gleichmäßig groß gliedern.“ Es soll auch einen Extra-Trockenraum in den Kellern geben. Wegfallender Platz soll im Außenbereich aufgefangen werden, dorthin könne etwa die Haustechnik ausgelagert werden. Auch Abstellräume seien dort denkbar. Zusätzlich soll es Fahrradhäuser geben.
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10. Die Anwohner, allesamt Mitglieder des gemeinnützigen Wohnungsvereins, hätten bei so einer Baumaßnahme gerne ein Mitspracherecht gehabt. Sie fühlen sich übergangen und allein gelassen.
Die Beteiligung habe auch Grenzen, sagen Christian Knibbe und Micha Heimbucher. Es müsse ja auch jemand Entscheidungen treffen, und dafür habe man die Geschäftsführung. Dass sich die Anwohner bei dem Projekt nicht mitgenommen fühlen, habe man aber wahrgenommen. „Deshalb werden wir in Kürze auch noch einmal zu einer Mitgliederversammlung einladen“, kündigt Heimbucher an.
Sollte bis dahin weiterer Gesprächsbedarf bestehen, könnten sich Anwohner an das Quartiersmanagement wenden: Sarah Neumann, Tel. 0234/ 935 62 36.