Bochum-Wiemelhausen. Hitzige Debatten hat es vor 50 Jahren im Bochumer Rat gegeben: Es ging um die Zukunft des Bochumer Wiesentals. Wie sieht es dort heute aus?

Was sollte mit dem schon lange ungenutzten Gelände der alten Bochumer Radrennbahn an der Hattinger Straße geschehen? Wie sollte die Zukunft des Viertels aussehen? Während CDU und FDP vor 50 Jahren dort ein Erholungszentrum im Grünen mit Café, Bocciabahn und Minigolf haben wollten, plante die SPD – damals mit absoluter Mehrheit im Rat – den Bau von Hochhäusern.

„Redeschlacht um zwei Hochhäuser“, so berichtet die Bochumer WAZ am 1. Dezember 1972 über den verbalen Schlagabtausch im Rat: „Das Gebiet könne eine Auflockerung der Sozialstruktur vertragen, erwiderte SPD-Fraktionsvorsitzender Eikelbeck. […] ‚Erstmals ein Beispiel setzen! In die Hochhäuser sollen auch Kindergärten und zehn Gastarbeiterwohnungen eingebaut werden.’‘‘

So sahen die geplanten Hochhäuser in einem Modell von 1973 aus.
So sahen die geplanten Hochhäuser in einem Modell von 1973 aus. © Bildarchiv | Stadt Bochum

Auch Stadtbaurat Rolf Wegener betont die Vorteile einer Bebauung mit Wohnungen: „Die verkehrsgünstige Lage zur Innenstadt und zur geplanten Stadtbahnhaltestelle Bergmannsheil sowie die Nachbarschaft zum Grüngebiet Wiesental biete sich für eine Wohnbebauung an“, erklärt er damals.

Rat beschließt Errichtung zweier Hochhäuser mit maximal 22 Geschossen

CDU und FDP hingegen sprechen sich gegen die Hochhäuser aus und setzen sich dafür ein, das Grüngebiet zu erhalten. Am Ende setzt sich jedoch die SPD mit ihrer Mehrheit im Rat durch. Die Bochumer WAZ verkündet am 1. Dezember 1972: „Nach hitziger Redeschlacht im Rat wurde am Donnerstag gegen die Stimmen der CDU und FDP die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen, der die Errichtung zweier Hochhäuser mit maximal 22 Geschossen auf dem Gelände der Radrennbahn vorsieht.“

1924 eröffnet

Die Radrennbahn Bochum in Ehrenfeld befand sich zwischen Kulmer Straße, Friederikastraße und Hattinger Straße. Sie wurde 1924 eröffnet und bot bis zu 12.000 Zuschauern Platz. Der Eingang lag an der Friederikastraße.

Ihr Vorgänger, die erste Bochumer Radrennbahn, lag an der Freudenbergstraße in Bochum-Hamme. Sie bestand von 1889 bis 1904.

Nachdem es 20 Jahre lang keine offizielle Bochumer Radrennbahn gegeben hatte, entstand das neue Gelände an der Hattinger Straße. Schon fünf Jahre später, 1929, wurde die Bahn an gleicher Stelle neu errichtet. Architekt war Clemens Schürmann.

Auf der Bochumer Radrennbahn wurden Rad- und Steherrennen veranstaltet, es fanden sogar Deutsche Meisterschaften statt. Außerhalb der Rennen wurde die Bahn gerne auch zum Rollschuh- oder Schlittschuhlaufen genutzt.

Am 22. Dezember 1972 werden die Pläne noch konkreter. Die Bochumer WAZ berichtet an diesem Tag unter dem Titel „Hochhäuser ändern ein Stadtviertel – Baubeginn vielleicht schon 1973“, dass es in Sachen Hochhaus-Bau nun schnell gehen soll. „Wesentlich ist dabei die Einbeziehung der künftigen Stadtbahnhaltestelle ‚Bergmannsheil‘ in ein Gesamtkonzept, bei dem ein durchgehender Grünzug vom Wiesental zur Hüttenaue geschaffen werden soll“, heißt es.

50 Jahre später – wo sind die Hochhäuser?

Wer sich heute in der Gegend umschaut, der sucht den durchgehenden Grünzug zur Hüttenaue und die 22-stöckigen Hochhäuser vergeblich. Zwar stehen an der vorgesehenen Stelle hohe Häuser, allerdings zählt das größere lediglich zwölf und das kleinere sogar nur sechs Stockwerke.

Eines der Hochhäuser an der Hattinger Straße in Bochum
Eines der Hochhäuser an der Hattinger Straße in Bochum © Jan Vestweber

Warum also wurde die ursprüngliche Planung nicht umgesetzt? „Bei der im Bebauungsplan festgesetzte Anzahl von 22 Stockwerken handelt es sich um ein Höchstmaß, das vom Bauherrn nicht über-, aber durchaus unterschritten werden darf“, erläutert Arne Fütterer vom Bochumer Stadtarchiv. „Allerdings konnte ich in unseren Beständen keinen Hinweis darauf finden, wieso die zulässige Stockwerkszahl in diesem Fall nicht ausgeschöpft wurde.“

Der damalige Bauträger, die VBW Bauen und Wohnen, hat keine Unterlagen mehr zu diesem Vorgang. VBW-Sprecher Dominik Neugebauer kann nur allgemein antworten: „Generell achten wir als VBW auf durchmischte Quartiere mit aktiven Nachbarschaften. Dazu gehört es eben auch, Wohnungen und Objekte zu bauen, die sich in das bestehende Quartier optisch nahtlos einfügen.“

Abriss der Rennbahn erst 1977

Im Anschluss an die Verkündigung des Baubeschlusses wird es erst einmal merklich still um das Projekt „Hochhäuser in City-Nähe“. Am Ende dauert es bis 1977, bis die Radrennbahn tatsächlich abgerissen wird. Auch die Genehmigung des Baus benötigt viel mehr Zeit als geplant. „Im Februar 1977 wurde die baufällige Radrennbahn abgerissen und das Gelände anschließend mit den Hochhäusern Kulmer Straße 21–27 neu bebaut“, weiß Arne Fütterer vom Stadtarchiv. 1978 wurden die Hochhäuser fertiggestellt.

Ein Bild der Rennbahn, die erst 1977 abgerissen wurde.
Ein Bild der Rennbahn, die erst 1977 abgerissen wurde. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotograf Fotografen der Stadt Bochum

Ob es die geplanten Kindergärten und Wohnungen für Gastarbeiter je gegeben hat? Auch Robert Scharly, der heute im größeren der beiden Häuser wohnt, weiß das nicht. „Ich weiß nur, dass heute viele nette Leute aus verschiedenen Ländern der Welt hier wohnen“, sagt er. „Ich bin zwar der Einzige aus Ghana, aber das Haus ist sehr international. Die meisten Leute kommen aus Polen und Deutschland.“ Der 66-Jährige wohnt seit drei Jahren im Haus, die Gegend mag er gerne. „Mir gefällt die Nachbarschaft hier. Ich kann mich nicht beschweren“, sagt er.

Ein wenig Licht ins Dunkel bringen kann WAZ-Leser Frank Dengler. Sein Vater war damals Hausverwalter der Gebäude, seine Eltern waren unter den ersten Mietern. Die Familie zog gegen Ende 1978 ein, fast unmittelbar nach Fertigstellung der Häuser. „Es gab damals keinen Kindergarten in den Häusern“, ist er sich sicher. „Was es aber gab waren ein Partyraum zum Mieten, eine Sauna und ein Tischtennisraum. Das war alles in dem kleineren Gebäude. In dem Partyraum ist heute eine Pflegestation des Johanneswerk, die Sauna wurde schon vor langer Zeit aufgegeben.“ Auch Gastarbeiterwohnungen habe es keine gegeben, als die Familie 1978 einzog. „Es gab einen hohen Anteil an Spätaussiedlern aus Polen“, erzählt er. „Rund 40 Prozent der Mieter kamen aus diesem Kulturkreis.“