Bochum. Der „Wiemelhauser Hof“ wurde vor 50 Jahren abgerissen. Der aufstrebende Stadtteil brauchte Platz, die historische Keimzelle war im Weg.

Männer mit langen Haaren, Schlaghosen, Vietnam-Krieg: Die 1970er Jahre sind für Vieles bekannt. Die Schönheit der damals entstandenen Bauwerke und die Sorgfalt im Umgang mit historischer Architektur gehören eher nicht dazu. Auch in Bochum ging es in der Zeit, in der Geschichtliches gerne großflächig durch Betonmonster-Bauten ersetzt wurde, städtebaulich eher um Funktionalität.

Bochum Wie in den 70ern der „Wiemelhauser Hof“ der „Baulust“ wich

„Die historische Keimzelle von Wiemelhausen ist verschwunden, der Bestand an historischer Bausubstanz weiter verringert. Dabei wäre die Einbeziehung gut erhaltener historischer Gebäude ins neue Stadtbild eine dankbare städtebauliche Aufgabe“, klagte die Bochumer WAZ am 18. November 1972 unter der Überschrift: „Baulust zerstört historische Keimzelle“.

Der „Wiemelhauser Hof“ wurde vor 50 Jahren abgerissen. Der aufstrebende Stadtteil brauchte Platz, die historische Keimzelle war im Weg.
Der „Wiemelhauser Hof“ wurde vor 50 Jahren abgerissen. Der aufstrebende Stadtteil brauchte Platz, die historische Keimzelle war im Weg. © Bildarchiv | Stadt Bochum

Am Tag zuvor hatte die Stadt Bochum den „Wiemelhauser Hof“ abreißen lassen. Das Kulturdenkmal, das einem ganzen Stadtteil seinen Namen gegeben hatte, war damit für immer verschwunden. „Was bis vor einer Woche noch östlich der Königsallee zwischen Wasserstraße und Stadtautobahn stand, war die Keimzelle des Stadtteils Wiemelhausen, der 1903 nach Bochum eingemeindet wurde“, schrieb die Bochumer WAZ im November vor 50 Jahren.

Geschichte des abgerissenen Hofes ging zurück bis ins Jahr 1389

Die Geschichte des abgerissenen Hofes lässt sich bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen: Bereits 1389 wurde der Großbauer Huge von Wymelhusen als Beisitzer bei einem Freigericht urkundlich erwähnt. In den Schatzbüchern der Grafschaft Mark von 1486 und 1664 wird der Hof als Stiftsgut der Abtei Essen geführt. Auch in den Verzeichnissen der Propsteikirche taucht der Name auf: 1519 wird hier ein „Dirik to Wymelhausen“ erwähnt.

Vor 50 Jahren aber war das historische Gebäude vor allem eines: im Weg. Überall in Bochum wurde gebaut, die Stadt und ihre junge Uni wuchsen, kurzum: Die Stadtplaner benötigten Platz. Ganz besonders im aufstrebenden Stadtteil Wiemelhausen und in der Nähe der Königsallee. Mit dem historischen Gemäuer machte die Stadt, die das Gebäude nach dem Ersten Weltkrieg gekauft hatte, kurzen Prozess. „Der historische Hof wurde von der Liste der erhaltenswerten Gebäude gestrichen und dem Bauboom geopfert“, kritisierte die Bochumer WAZ damals.

Damit erging es dem Wiemelhauser Hof ähnlich wie „Haus Goy“ in Altenbochum, das bereits in den 1960er Jahren weichen musste und offenbar ohne Genehmigung entfernt wurde. „Abgerissen wurde in Bochum öfter in den letzten Jahren“, schrieb die WAZ 1972. „Als der Landeskonservator den denkmalswerten früheren Ritterssitz Haus Goy besichtigen wollte, war er bereits verschwunden.“

Haus Langendreer als Positiv-Beispiel für Gebäudeschutz

Dabei gebe es in Bochum, so schreibt die WAZ damals weiter, durchaus gelungene Beispiele dafür, wie historische Bausubstanz gerettet und weitergenutzt werden konnte. Unter anderem lobt sie den Umgang des Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit dem „zwischenzeitlich auch schon dem Abbruch geweihten Haus Langendreer“. Dieser habe „gezeigt, wie sich solche Gebäude in eine moderne städtebauliche Konzeption einbetten lassen“. Das Gebäude wurde 1972 zur Sonderschule umgebaut und ist immer noch in Nutzung. Noch heute werden in der „Schule am Haus Langendreer“ junge Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet.

Dem Wiemelhauser Hof war kein ähnlich glückliches Schicksal beschienen. Nach dem Abriss wurde auf dem ehemaligen Gelände des Hofes, dessen Ländereien sich zum Teil bis zur Brenscheder und Borgholzstraße und Richtung Stadt bis zur Wasserstraße ausdehnten, viel gebaut. Drei Jahre später entstand in der Nähe das weithin sichtbare Bominhaus an der Königsallee. Zunächst aber musste auf dem Gelände Platz geschaffen werden für neue Bauten. Weichen mussten dafür die alten Gebäude des Wiemelhauser Hofes. Über den Verbleib der hölzernen Überreste berichtet die WAZ am 18. November 1972: „Kinder aus der Nachbarschaft standen gestern an der Königsallee um ein wärmendes Feuer herum. In den Flammen verbrannten die Reste des abgerissenen Wiemelhauser Hofes.“