Bochum-Nord. Ehemalige Goethe-Schüler haben ihre Abiturklausuren bekommen, nach über 50 Jahren. Trotz 4 in Mathe haben einige beachtliche Karrieren hingelegt.
Die alten Klausuren werden auf dem Pausenhof verteilt und anschließend wird damit posiert – ganz wie früher, bei der Verleihung des Abiturs. So manches erinnert die ehemaligen Abiturienten der Goethe-Schule in Bochum-Mitte an diesem Mittwochnachmittag an die Vergangenheit. 50 Jahre ist es her, dass der Jahrgang, von dem sich heute sieben Schüler versammelt haben, hier sein Abitur ablegte. Ermöglicht hat die Nostalgie Schulleiter Peter Müller, der jetzt schon zum zweiten Mal alte Arbeiten verteilt und zu einem Erinnerungsgespräch eingeladen hat.
Goethe-Schule in Bochum: Schulleiter verteilt ehemalige Abi-Klausuren
„Außer der richtigen Zeichnung nichts brauchbares dabei“, liest Müller vor, während er die Klausur eines ehemaligen Schülers in der Hand hält. Es handelt sich um eine Mathe-Klausur. Was der Schüler heute macht, bleibt an diesem Tag unklar. Dass aus den anderen, ehemaligen Gymnasiasten trotz teils schlechter Noten etwas geworden ist, zeigt sich aber im weiteren Verlauf des Gesprächs.
Strenge Lehrer, geschwänzte Unterrichtsstunden, eine Schülerband namens „The Revolutionary Octopus“ – viele Geschichten, die den Ehemaligen aus ihrer Schulzeit einfallen, könnten genauso von heutigen Schülerinnen und Schülern erzählt werden.
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Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass sich vieles geändert hat. Schule in den 70ern bedeutete: Samstagsunterricht und Aufnahmeprüfungen; Mädchen sah man nur, wenn man den geteilten Russischunterricht belegte, denn an der Goethe-Schule gab es damals nur Jungen. Auch den Raucherraum für Schüler sucht man heute vergeblich. Dabei sei der früher der wichtigste Ort an der Schule gewesen - gleich hinter der „Fummelbude“, einer Spielhalle in der Nähe. Michael Klein (70) war dort früher Champion am Flipperautomaten – im späteren Leben wurde er dann Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Arnsberg.
Früher gab es an der Goethe-Schule auch Samstags Unterricht
Viele der heute Angereisten, nicht alle wohnen noch in Bochum, erinnern sich außerdem daran, wie politisch die Zeiten damals waren: Als Schüler besetzten sie die Rathauskreuzung während der Roten-Punkt-Protesten gegen die Bogestra und machten Bekanntschaft mit Wasserwerfern auf dem Schauspielhausplatz.
„Es war eine bewegte, aufgeregte Zeit“ erinnert sich Ulrich Timmermann, der später als Journalist unter anderem beim WDR Karriere machte. Die „Opposition zum System“ prägte ihn noch lange. Daher freut es die ehemaligen Abiturienten sehr, die junge Generation wieder auf der Straße zu sehen. „Dass Gesetzte übertreten werden, gehört dazu, mich ärgern die Egoismen der Alten, die nur an sich denken“, sagt der ehemalige Politiklehrer Heinz Schlinkert (69) und spielt damit besonders auf die Klimaproteste von Fridays for Future an.
Auch eine 4 in Mathe muss nicht schaden
Und noch eine Parallele zu den heutigen Protesten gibt es: Schon damals waren viele Lehrer gegen die aufsässigen Schüler. So soll der Lateinlehrer einmal, als sich Schüler für eine Demo aus dem Klassenraum stahlen, ihnen hinterhergeschrien haben: „Wenn ihr jetzt geht, werdet ihr das noch bereuen!“ Damit scheint er unrecht gehabt zu haben. Denn wenn die Gruppe den jungen Leuten von heute einen Rat geben würde, dann das: „Versucht eine eigene Meinung zu haben und sie auch zu zeigen!“
Das Erinnerungsgespräch erfreut Schulleiter Peter Müller. „Ich sitze jetzt vor gestandenen Leuten, die im Leben Erfolg hatten.“ Dass die Abiturnoten nicht das ganze Leben bestimmen, zeigt sich übrigens ganz deutlich: Viele der Anwesenden sitzen mit achtbaren Karrieren an den alten Schultischen und blicken auf reichlich verhauene Klausuren. Einer der Anwesenden schaut auf seine 4 in Mathe – geschadet hat die ihm definitiv nicht.