Bochum. Mit der S-Bahn nach Essen – und das alle 20 Minuten: 1972 ist das für viele Bochumer eine Sensation. Auch die Fahrkartenautomaten begeistern.
Die Fahrt mit der S-Bahn der Linie 1 ist für viele Bochumerinnen und Bochumer heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Bis es so weit war, musste Bochum aber erst einmal ans Netz der S-Bahn-Strecke angeschlossen werden. Dazu wurde ein komplett neuer Bahnsteig im Hauptbahnhof benötigt. Der Startschuss zu diesem ehrgeizigen Ruhrgebiet-Projekt fiel vor 50 Jahren – im September 1972.
Der Grundstein der neuen Strecke war bereits ein gutes Jahr vorher am Buddenbergplatz gelegt worden, die Gelder für das Projekt wurden allerdings erst später freigegeben. Vor 50 Jahren war es dann soweit: Der Bau des Bahnsteigs, der Schienenstrecke und der notwendigen Brücken konnte beginnen.
Wettbewerb der Brückenbauer
Mit dem Baubeginn startet auch der „Wettstreit der Brückenbauer“. Hierzu schreibt die WAZ 1972: „Zwei Baufirmen, zwar zusammengeschlossen in einer Arbeitsgemeinschaft, sollen die jeweils zwei notwendigen Brücken über Wittener Straße und Unistraße schlagen. Das Bochumer DB-Betriebsamt ist gespannt, wer zuerst fertig wird. Termin ist Mai 1973.“
Die Arbeiten für den neuen Bahnsteig können abgekürzt werden: Südlich des Gleises Nummer 6 liegen bereits Schienen in Richtung Essen für den zweigleisigen Verkehr. Im Bochumer Stadtbereich müssen deshalb nur noch etwa drei Kilometer Gleise neu verlegt werden. Allerdings muss der alte Südeingang des Bahnhofs abgerissen, zwölf Meter nach Süden verlegt und neu aufgebaut werden.
Die Umbauten nehmen einige Zeit in Anspruch. Im Mai 1974 erfolgt dann der Anschluss des Bochumer Hauptbahnhofes ans S-Bahn-Netz. Damit ist die Stadt nun aber zuerst einmal nur ans Streckennetz in Richtung Westen angeschlossen. Von der Bedeutung, die die S1-Linie heute für Bochum und das Ruhrgebiet hat, ist die damalige Strecke noch ein Stück weit entfernt.
Aktuell nutzen rund 20.000 Fahrgäste täglich die S1 am Bochumer Hauptbahnhof
„Die S-Bahn Rhein-Ruhr ist heute eines der größten S-Bahn-Netze Deutschlands und mit ihrer hohen Dichte an Haltepunkten zentrales Element des Schienen-Personennahverkehrs an Rhein, Ruhr und Wupper. Seitdem Ende der 1960er Jahre die ersten S-Bahnen den Betrieb aufgenommen haben, hat sich die Fahrgastnachfrage kontinuierlich erhöht“, beschreibt Dino Niemann, stellvertretender Pressesprecher des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), die Bedeutung des Schienennetzes rund um Bochum und Umgebung.
Aktuell nutzen rund 20.000 Fahrgäste über den Tag verteilt die S-Bahn Linie S1 am Bochumer Hauptbahnhof. Niemann: „Das zeigt die besondere Dimension und Bedeutung.“ Für die Zukunft hat sich der VRR vorgenommen, die Anzahl an Fahrgästen auf dieser Strecke noch zu steigern. „Dazu haben wir uns auf das sich ändernde Mobilitätsverhalten der Menschen eingestellt und den ursprünglichen 20-Minuten Takt auf einen stärker nachfrageorientierten 15/30-Minuten-Takt umgestellt.“
Zum Baubeginn 1972 war aber bereits der neue 20-Minuten-Takt außergewöhnlich. Die WAZ schreibt damals: „Auf einen Fahrplankasten für die S-Bahn kann praktisch verzichtet werden: die bei den Olympischen Spielen in München erprobten modernen Wagen fahren im regelmäßigen 20-Minuten-Takt.“ Auch der Neubau kam sehr futuristisch daher: „Den neuen S-Bahnsteig, das ist die Bundesbahn wohl der Bezeichnung ‚Schnellbahn‘ schuldig, können die Reisenden künftig über Rolltreppen erreichen. Die Fahrkarten werden durch Automaten verkauft.“
Weiterführung der Linie in Richtung Dortmund erfolgt erst 1983
Zu dieser Zeit ist Bochum, anders als heute, noch Endpunkt der Linie. Unklar ist damals auch noch, an welcher Stelle die zusätzlich geplante Haltestelle im Bochumer Westen errichtet werden soll – erst später fällt die Entscheidung für den Haltepunkt in Bochum-Ehrenfeld. Bei der Eröffnung der neuen Strecke 1974 fährt die erste Bahn von Bochum aus über Höntrop und Essen bis nach Duisburg.
Die Weiterführung nach Dortmund, samt neuer S-Bahn-Station in Langendreer, erfolgt erst 1983. Dadurch wird das alte Bahnhofsgebäude dort nicht mehr benötigt. Somit ist Platz für das heutige sozial-kulturelle Zentrum „Bahnhof Langendreer“.
1972 aber freut man sich in Bochum erst einmal über den Baustart und die verheißungsvollen neuen Möglichkeiten. „Mit dem Sommerfahrplan 1974 kommt der Dreivierteltakt. Dreimal pro Stunde, alle 20 Minuten, wird einer der neuen S-Bahn-Züge den neuen Bahnsteig 4 des Bochumer Hauptbahnhofes in Richtung Essen verlassen“, kündigt die WAZ damals den Start des 20-Millionen-Mark-Projektes an.