Bochum. Ein Bochumer hat 29 Jahre zu hohe Niederschlagsgebühren bezahlt. Die Stadt will für vier Jahre rückwirkend zahlen. Der Streit geht weiter.

Bernd Sprenger stutzte. 366 Quadratmeter sei sein Grundstück groß, teilte ihm das Finanzamt mit: 127 Quadratmeter kleiner als die Stadt seit Jahrzehnten bei den Grundbesitzabgaben veranschlagt. Der Lindener wehrt sich und hat zumindest teilweise Erfolg. Der Haus- und Grundeigentümerverein bekräftigt: „Jeder sollte genau nachschauen.“

Streit um Gebühren: Bescheid des Finanzamtes war der Auslöser

Seit 1993 besitzt Bernd Sprenger das Wohnhaus an der Hattinger Straße 943a, in dem er mit seiner Lebensgefährtin Michaela Hoffmann (54) lebt. Bei der jährlichen Niederschlagswassergebühr (auch Regensteuer genannt) wurden seither 493 Quadratmeter zugrunde gelegt. So auch für das laufende Jahr mit 557,09 Euro.

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2022 beschert Eigentümern eine besondere Pflicht. Weil sämtliche Grundstücke neu bewertet werden, müssen sie eine „Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts“ beim Finanzamt einreichen. Die Behörde stellte Sprenger dafür im Juni eine Übersicht für sein Flurstück zu. Unter der Rubrik „Fläche in qm“ steht dort: 366.

Lindener griff an einem Wochenende selbst zum Zollstock

Der 69-Jährige griff zum Zollstock. Erstmals vermaß er eigenhändig sein versiegeltes Grundstück mit Innenhof und Parkplatz. „Das hat ein ganzes Wochenende gedauert“, berichtet der Schreiner im Ruhestand. Sein Ergebnis bestätigt das Finanzamt nahezu exakt: 367 Quadratmeter.

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Sprenger rief im Rathaus an, um auf die Differenz bei den Grundbesitzabgaben aufmerksam zu machen. „Erste Reaktion: Ablehnung“, schildert er. Der aktuelle Bescheid könne geändert werden. Eine Rückerstattung früherer Abgaben komme aber nicht infrage. „Es hieß, ich hätte das Flächenmaß ja längst selbst korrigieren können. Aber dazu hatte ich vor dem Bescheid des Finanzamtes doch gar keinen Anlass!“

Stadt verweist auf Verjährungsfrist von vier Jahren

Die Stadt bestätigt auf WAZ-Anfrage: Die seit fast drei Jahrzehnten verwendete Grundstücksgröße ist falsch. „Im Rahmen des damaligen Grundstückskaufs wurde eine tatsächlich nicht mit verkaufte Teilfläche in die Flächenberechnung einbezogen“, erklärt Sprecher Peter van Dyk, betont aber zugleich: Das hätte „auch Herrn Sprenger auffallen können“.

Der geht in die Offensive. „Selbst schuld“ – das mag Sprenger nicht hinnehmen. Er schaltete die WAZ ein. Seine Forderung: Das Steueramt müsse sämtliche seit 1993 zu viel gezahlten Niederschlagswassergebühren erstatten; nach seiner Berechnung rund 4800 Euro.

Das lehnt die Stadt ab. Es gebe eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Heißt: Eine Rückzahlung sei nur ab 2018 möglich. „Durch die Änderung ergibt sich ein erstattungsfähiges Guthaben in Höhe von ca. 800 Euro“, so Peter van Dyk.

Für Bernd Sprenger ist klar: Mit einer Rückerstattung zu viel gezahlter Gebühren für vier Jahre will er sich nicht abfinden.
Für Bernd Sprenger ist klar: Mit einer Rückerstattung zu viel gezahlter Gebühren für vier Jahre will er sich nicht abfinden. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Haus & Grund-Anwalt spricht von Kann-Leistung der Stadt

Damit müsse sich der Bochumer wohl zufriedengeben, sagt Michael Buser, Steuerexperte beim Landesverband Haus & Grund Rheinland Westfalen. „Aktuelle Grundbesitzbescheide müssen korrigiert werden, wenn sie innerhalb eines Monats erfolgreich angefochten werden“, erläutert der Rechtsanwalt. Eine Rückerstattung für maximal vier Jahre sei hingegen Kulanz. „Das ist für eine Kommune eine Kann-, aber keine Muss-Leistung.“

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Ausdrücklich rät Buser allen Eigentümern, Grundstücksgrößen in amtlichen Bescheiden zu überprüfen. „Wenn man nicht aufpasst, kann es sein, dass zu große Flächen berechnet werden.“ Im Zuge der derzeitigen Grundsteuer-Neubewertungen sei „absehbar“, dass es weitere Fälle wie bei Bernd Sprenger geben werde.

Eigentümer will weiter um volle Rückerstattung kämpfen

Der Lindener kann dabei offenbar zusätzlich profitieren. In ihrer Antwort an die WAZ reduziert die Stadt die Flächenangabe nochmals: von den 366 Quadratmeter des Finanzamtes auf nun 345 Quadratmeter.

Aufgeben will Sprenger dennoch nicht. Er hat einen Anwalt mit einer rechtlichen Prüfung beauftragt. „Wir Steuerzahler werden für jedes kleinste Versäumnis zur Rechenschaft gezogen. Dass die Stadt bei mir 29 Jahre lang Tausende Euro zu viele Gebühren kassiert hat, werde ich nicht einfach so hinnehmen.“