Bochum. Die Corona-Zahlen in Bochum sind viermal höher als offiziell gemeldet, sagt die Kassenärztliche Vereinigung. Auch Bochum Total bereitet Sorgen.

Die Corona-Inzidenz in Bochum ist am Donnerstag auf 577,3 gestiegen. Dieser Wert sei aber nur „die Spitze des Eisbergs“, sagt der Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Bochum, Dr. Eckhard Kampe. „Die tatsächliche Inzidenz dürfte um das Vierfache höher liegen.“

8,5: Das war die Inzidenz vor einem Jahr in Bochum. Die Hoffnung, dass die Corona-Zahlen auch in diesem Sommer auf Talfahrt gehen, hat sich nicht erfüllt. Die hochansteckenden BA.4- und BA.5-Varianten erzeugen eine Corona-Sommerwelle. Binnen einer Woche kletterte die Inzidenz in Bochum trotz des warmen Wetters von 474,4 auf 577,3. Das Gesundheitsamt registriert 1865 Infizierte.

Corona in Bochum: Post-Covid-Syndrom bereitet Sorge

Trifft die Schätzung von Eckhard Kampe zu, sind derzeit mehr als 7000 Bochumerinnen und Bochumer coronapositiv. Denn: Nur die durch PCR-Tests bestätigten Ansteckungen fließen in die Statistik ein. „In unseren Praxen haben wir es aber hauptsächlich mit Patientinnen und Patienten zu tun, die einen Selbsttest vorgenommen haben ist. Wer Symptome hat, lässt sich krankschreiben. In den offiziellen Zahlen tauchen diese Infektionen nicht auf.“

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Dass die Bürgertests in den 287 Bochumer Teststellen seit Juni bis auf wenige Ausnahme drei oder sogar zehn Euro kosten, trage dazu bei, „das Corona-Geschehen zu verwischen“, so Kampe. Dabei sei die Pandemie nach wie vor sehr ernst zu nehmen. „Es gibt weiterhin nur wenige lebensbedrohliche Verläufe. Wir beobachten aber, dass sich die anschließenden Beschwerden durch die BA.4 und BA.5 massiv verschlimmern. Wir sprechen vom Post-Covid-Syndrom.“

Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung in Bochum, schätzt, dass die Corona-Zahlen viermal höher sind als offiziell gemeldet.
Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung in Bochum, schätzt, dass die Corona-Zahlen viermal höher sind als offiziell gemeldet. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Immer mehr Patienten mit Corona in den Krankenhäusern

Das spiegelt sich auch in den Kliniken wider. 108 Erkrankte mit Corona werden derzeit stationär versorgt – sechs von ihnen auf der Intensivstation. Dort nehmen die Engpässe zu: nicht aufgrund der Covid-Patienten, sondern weil zahlreiche Pflegekräfte selbst infiziert und in Quarantäne sind. Laut Intensivmediziner-Vereinigung Divi sind am Donnerstag 144 von 161 Intensivbetten belegt. Das Katholische Klinikum Bochum berichtet, bereits Intensivpatienten anderer Kliniken aufzunehmen.

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Inmitten dieser „besorgniserregenden“ (Kampe) Entwicklung fehlt es an aussagekräftigen Daten über die Corona-Impfungen. Die Impfquote in Bochum verharrt seit dem Frühjahr bei 77,2 Prozent. „Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Übermittlung der Zahlen (...) eingestellt. Eine realistische Darstellung der Impfsituation ist daher nicht mehr möglich“, teilt die Stadt auf ihrer Internetseite mit.

Die Zahl der Covid-Patienten auf den Intensivstationen der Bochumer Kliniken bleibt überschaubar. Doch die Personalnot nimmt zu.
Die Zahl der Covid-Patienten auf den Intensivstationen der Bochumer Kliniken bleibt überschaubar. Doch die Personalnot nimmt zu. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Impfquote wird nicht fortgeschrieben: KV widerspricht Stadt

„Das ist nicht die ganze Wahrheit“, widerspricht Eckhard Kampe. Nicht mehr die Kommunen, aber das Robert Koch-Institut werde regelmäßig mit den Impf-Zahlen der niedergelassenen Ärzte versorgt. Die seien allerdings ebenso überschaubar wie die Resonanz im letzten verbliebenen Impfzentrum der Stadt im Gesundheitsamt am Westring (713 Impfungen im Mai). Vermutet wird, dass sich die Impfquote in Bochum dem NRW-Wert von 81,7 Prozent angeglichen hat. Erstimpfungen gibt es nach KV-Angaben so gut wie gar nicht mehr.

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Ein wieder erwachendes Interesse erhofft sich Kampe im September und Oktober, wenn die an die neuen Virusvarianten angepassten neuen Impfstoffe verabreicht werden sollen. Die Stadt hat angekündigt, ihre geschlossenen Impfzentren kurzfristig reaktivieren zu können: anfangs in den Bezirksverwaltungsstellen Wattenscheid und Querenburg.

In Altenheimen gilt wieder FFP2-Maskenpflicht

Auch die Senioreneinrichtungen Bochum (SBO) verzeichnen steigende Corona-Zahlen in ihren sechs Einrichtungen: „bei Bewohnern und Mitarbeitern gleichermaßen“, sagt Geschäftsführer Frank Drolshagen.

Als erste Reaktion wurde eine Lockerung zurückgenommen. In den besonders betroffenen Seniorenzentren am Glockengarten und an der Krachtstraße müssen wieder FFP2-Masken getragen werden. Zuvor hatte eine OP-Maske ausgereicht.

In allen SBO-Häusern mit insgesamt 611 Bewohnern gilt nach wie vor die Testpflicht. Täglich werden kostenlose Corona-Tests angeboten.

Bochum Total: Nächste Woche wird’s spannend

Bis dahin rechnet KV-Chef Kampe mit weiter steigenden Inzidenzen. Seit dieser Woche stellten sich immer mehr Reiserückkehrer in den Praxen vor, die sich im Urlaub mit Corona angesteckt haben. Ganz vorn: Portugal und die Türkei.

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Folgen könnte auch „Bochum Total“ haben. 510.000 Menschen feierten bis Sonntag bei dem Festival in der Innenstadt: fast ausnahmslos ohne Maske. In der nächsten Woche werde man sehen, ob es das befürchtete Superspreader-Ereignis war, so Kampe.