Bochum. Bochum gilt als Hotspot der IT-Sicherheit. Nun ist Forschern der nächste Coup gelungen: die besten Verschlüsselungsverfahren gegen Supercomputer.
Am Morgen danach quillt das Mail-Postfach über und steht das Telefon nicht still. Lauter Gratulanten. Und das aus der ganzen Welt. Sie beglückwünschen mehrere Wissenschaftler der Ruhr-Universität für eine außerordentliche Leistung. In Bochum entwickelte Verschlüsselungsverfahren, die auch Quantencomputer nicht brechen können, werden in den USA zum Standard.
Verschlüsselungsverfahren aus Bochum dürften weltweit eingeführt werden
Und nicht nur dort. Die vom National Institute for Standards and Technology (NIST), einer Bundesbehörde, zertifizierten Standards werden erfahrungsgemäß von zahlreichen Unternehmen und Online-Diensten, wie Amazon, Paypal oder Google übernommen, da sie als besonders sicher gelten. Auch Europa dürfte sich dem anschließen.
Auch interessant
„Die europäischen Behörden prüfen die vom NIST ausgewählten Verfahren zwar auch noch, schließen sich aber erfahrungsgemäß der Einschätzung ihrer US-Kollegen an, wenn sie keine Sicherheitslücken finden“, sagt Prof. Peter Schwabe vom Max-Planck-Institut für Sicherheit und Privatsphäre, einer der Bochumer Forscher. Drei der vier ausgewählten Verfahren wurden von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Exzellenzcluster Casa an der Ruhr-Uni erarbeitet.
Gebürtiger Bochumer hat einen Namen in der weltweiten IT-Community
„Das ist schon ein Meilenstein für den Cluster und auch für einen persönlich“, sagt Prof. Dr. Eike Kiltz vom Lehrstuhl für Kryptographie. „Dass man irgendetwas geschaffen hat, was dann in fünf Jahren wirklich jeder verwenden wird. Das finde ich persönlich schon ganz toll. Da ist man schon jetzt noch sichtbarer geworden auf der internationalen Landkarte.“
Auch interessant
Vorschläge aus der ganzen Welt
Forschungsgruppen aus aller Welt haben Konzepte für neue Verschlüsselungsverfahren eingereicht. 15 haben es ins Finale des Wettbewerbs geschafft. Drei der vier ausgewählten Verfahren wurden von Forschenden aus dem Exzellenzcluster Casa entwickelt, das an der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt ist.
Casa verfolgt das Ziel, nachhaltige IT-Sicherheit gegen große, insbesondere nationalstaatliche Angreifer zu ermöglichen.
Aus Sicht von Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ist die Entscheidung der amerikanische Bundesbehörde eine tolle Nachricht: „In Zukunft sorgt damit Technologie aus Bochum weltweit für die sichere Verschlüsselung von Daten und stellt einmal mehr die Qualität des Forschungs- und IT-Sicherheitsstandortes Bochum unter Beweis.“
Dabei ist der 47-jährige gebürtige Bochumer in der wissenschaftlichen Welt schon ein ganz Großer. Der Absolvent des Gymnasiums am Ostring („Ich kann mich noch gut an meine Einschulung erinnern. Damals kam Herbert Grönemeyer als ehemaliger Ostring-Schüler vorbei und hat Autogramme gegeben. Seine Unterschrift habe ich noch.“) hat an der Ruhr-Uni studiert und promoviert, war zehn Jahre lang in den USA und in den Niederlanden, kam 2010 als Sofja-Kovalevskaja-Stipendiat, ausgestattet mit 1,65 Millionen Euro, zurück nach Bochum. Wenig später erhielt er vom Europäischen Forschungsrat noch einmal 1,8 Millionen Euro für die Forschung. Weitere 2,5 Millionen Euro sind vor kurzem erneut geflossen, um die kryptografischer Grundlagenforschung näher als reale Probleme heranzuführen. Kiltz gehört zu einer ganzen Riege von Wissenschaftlern, die aus dem vielversprechenden Standort Bochum einen weltweit anerkannten Hotspot für IT-Sicherheit gemacht haben.
Viele Forscher sind an der Entwicklung beteiligt
Und der dürfte jetzt mit Sicherheit noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, nachdem die von Kiltz, Schwabe, Prof. Daniel Bernstein (Ruhr-Uni) sowie Prof. Tanja Lange (TU Eindhoven) entwickelten Verschlüsselungsverfahren ausgewählt wurden.
Auch interessant
Ausgetüftelt wurden sie, um den Hochleistungsrechnern der nächsten Generation, den Quantencomputern, Paroli bieten zu können. „Eine sichere verschlüsselte Kommunikation ist die Grundlage für eine global vernetzte mobile Welt“, heißt es bei Casa. Verschlüsselungen, die Rechner heutiger Generation selbst in Tausend Jahren nicht entschlüsseln könnten, wären mit Quantencomputern in Minuten zu knacken. „Die bisherige Sicherheitsinfrastruktur wird damit quasi wertlos“, sagt Prof. Schwabe. Ergo müssen neue Standards für die Verschlüsselung von morgen her. Auch wenn es noch einige Jahre dauern dürfte, bis ausreichend große Quantencomputer tatsächlich zum Einsatz kommen. „Die zukünftige Verschlüsselung ist mit den in Bochum entwickelten Verfahren sicher“, heißt es beim Casa.
Auswahl rückt Bochum weiter ins internationale Rampenlicht
Ausgewählt wurden sie in einem langen öffentlichen Prozess von der internationalen Community. „Unser Verfahren ist das, hinter dem die Community am meisten stand – mit der höchsten Effizienz und Sicherheit“, erklärt Prof. Kiltz. Und er betont: „Daran haben ganz viele Menschen gearbeitet, nicht nur wir. Es steckt viel Grundlagenforschung dahinter.“
Auch interessant
Finanziell spielt die Auswahl keine Rolle. Es gibt kein Preisgeld. Und es liegt auch kein Patent auf der Entwicklung. Patentierte Verschlüsselungsverfahren bleiben nämlich in der Schublade, das zeige die Erfahrung. Aber: Sie rückt Bochum weiter ins Rampenlicht und ist außerdem eine Bestätigung für all jene, die sich in den vergangenen Jahren für den Ausbau der IT-Forschung hier stark gemacht haben. „2010 hat das Ganze ein exponentielles Wachstum bekommen, als ganz starke Leute nach Bochum gekommen sind. Dann haben wir den Exzellenz-Cluster-Antrag gestellt, der dann ja auch angenommen wurde. Und seit dem ist Bochum ein internationaler Spot“, so Prof. Kiltz.