Bochum. In Bochum macht nur ein Arzt Schwangerschaftsabbrüche. Goran Vidovic würde selbst bald in Rente gehen, doch ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
In Bochum gibt es gerade mal einen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Dr. Goran Vidovic hat seine Praxis in Wattenscheid seit vielen Jahren. Wie alt genau er ist, möchte er nicht sagen – doch: Andere Ärzte wären in seinem Alter vermutlich schon im Ruhestand. Für ihn ist das allerdings kaum möglich.
Warum arbeiten Sie noch immer in Vollzeit in der eigenen Praxis?
Es gibt da einen chinesischen Spruch, der lautet ungefähr so: „Arbeit, die man liebt, ist keine!“ Ich mache meine Arbeit wirklich gerne, das ist mein Leben. Trotzdem ist da der Wunsch nach einem Nachfolger, der meine Arbeit fortsetzt. Aber dieser Wunsch lässt sich nicht so leicht erfüllen.
Woran liegt das?
Ich bin der einzige Gynäkologe in Bochum, der ambulant operiert. Wenn Sie sich die Auflagen ansehen, die wir erfüllen müssen, ist zu verstehen, dass viele diesen Aufwand scheuen. Dem ständigen Anstieg der betriebs- und vorschriftsbedingten Ausgaben folgen keine kompensatorischen Maßnahmen. Es gibt zwar seit Jahren Diskussionen, wie man das ambulante Operieren unterstützen könnte, allerdings wird das nicht umgesetzt.
Sie sind auch der einzige Arzt in Bochum, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Auch in Nachbarstädten ist die Zahl gering.
Die Beratungsstelle „Pro Familia“ hat dazu erst letztens eine Umfrage durchgeführt. Mit dem Ergebnis, dass generell mehr Praxen dazu bereit wären, allerdings fehlen dazu die Möglichkeiten. Ich habe in meiner Praxis einen Operationsraum, einen Aufwachraum, zwei Anästhesistinnen und die dafür ausgebildeten Mitarbeiterinnen. Hinzu kommt, dass dieses Thema in der Ausbildung nicht angesprochen wird, es fehlt also die entsprechende Expertise. Neben dem operativen Eingriff gibt es auch den medikamentösen Abbruch, der aber nicht immer klappt. In solchen Fällen müsste die Patientin für den notwendigen operativen Eingriff dann wieder in ein Krankenhaus oder in eine operative Praxis eingewiesen werden.
Der Paragraf 219a
Der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch regelt das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Die Ampel-Koalition will dem ein Ende setzen und den Paragrafen 219a ersatzlos streichen. Der Grund dafür: Der Paragraf 219a führe dazu, dass Ärztinnen und Ärzte mit Strafverfolgung rechnen müssten, „wenn sie sachliche Informationen über Ablauf und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich (etwa auf ihrer Homepage) bereitstellen“. So sei es für Patientinnen schwer, den richtigen Arzt zu finden.Aus Sicht der Bundesregierung ist die geplante Streichung des Paragrafen mit „der grundgesetzlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben vereinbar“. Das sieht die Unionsfraktion im Bundestag anders.
Die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche– des Paragrafen 291a (s. Infobox) – war in den vergangenen Monaten immer wieder ein Thema. Wie stehen Sie dazu?
Mein Wunsch wäre, dass ich öffentlich uneingeschränkt informieren darf, dass ich diesen Eingriff durchführe. Es geht hier nicht um die anpreisende Werbung, sondern um sachliche Informationen und darum, Frauen in ihrer schwierigen Lebenssituation nicht allein zu lassen. Die Ärztekammer und die Beratungsstellen stellen bereits die Anschriften der durchführenden Ärzte zur Verfügung, diese aber im Internet zu finden, ist nicht für jedermann einfach.
Können Sie ausmachen, welche Frauen zu Ihnen kommen, um eine Schwangerschaft abzubrechen?
Das ist sehr durchwachsen. Im Vordergrund steht natürlich die Konfliktsituation, die aus der Sicht der Frau nur durch eine Schwangerschaftsunterbrechung zu lösen ist. Das kann einer Frau mit 16, aber auch mit 46 Jahren passieren.
Wie hoch ist der Anteil an Schwangerschaftsabbrüchen im Vergleich zu anderen Behandlungen?
Nicht sehr hoch, deutlich weniger als fünf Prozent. Aus meiner Sicht ist eine Schwangerschaftsunterbrechung genauso wie eine Schwangerschaftsbetreuung ein Bestandteil der ärztlichen Aufgaben in der Frauenheilkunde. Eine ungeplante Schwangerschaft wirft grundlegende Fragen auf und kann mit Verunsicherung und Ratlosigkeit einhergehen. Nur die Frau allein kann beurteilen, was eine Schwangerschaft in ihrer Situation bedeutet und nur sie allein kann verantwortungsvoll entscheiden, ob sie die Schwangerschaft beenden oder fortsetzen will. Und wir Ärzte sollten das akzeptieren.