Bochum. Ein schwerer Stahlträger wurde am Mittwoch aus dem Abbruchhaus „Die Uhle“ entfernt. Eigentlich war der Koloss für eine andere Aufgabe bestimmt.

Das endgültig letzte Kapitel der früheren Traditionsgastronomie „Die Uhle“, früher Uhlenbruch, am Dr.-Ruer-Platz hat begonnen. Die Abbrucharbeiten kommen in die entscheidende Phase: Ein mächtiger, ursprünglich womöglich in einer Bochumer Brücke verbauter Stahlträger, schwebt am Mittwoch (1. Juni) minutenlang über dem Torso der ehemaligen Traditions-Schankwirtschaft mit der einst weit über die Grenzen Bochums bekannten Ausstellung mit Hunderten ausgestopfter Tiere – sozusagen die Bochumer Erlebnisgastronomie des frühen 20. Jahrhunderts.

Es sind knapp vier Jahre vergangen, dass Brigitte Streberg sich entschlossen hatte, die Gastronomie aufzugeben. Die Sparkasse erwarb das Grundstück und begann rasch damit, für diese Stellen einen Neubau zu planen. Doch bis zum Abriss erwachte das Haus zumindest für einige Monate zu neuem Leben, als „Kultur-Uhle“. Kreative nutzten die Fläche des ehemaligen Restaurants, das bis zuletzt eine eingeschworene Gemeinschaft von Bochumerinnen und Bochumer als Mittagslokal oder für heimelig-bürgerliche Abendessen besuchte.

Zwei Eulen erinnern an alte Gastro-Herrlichkeit

Ihre persönliche Note, mit zwei ausgestopften Eulen als Reminiszenz längst vergangener Gastro-Herrlichkeit, blieb die Uhle noch eine ganze Weile eine herrlich altmodische Perle inmitten des hippen Bermudadreiecks. Die Innenstadt hatte dieses Lokal natürlich schon lange verloren. Mit den Häusern Rietkötter und Mutter Wittig erinnern jetzt mindestens noch zwei Restaurant-Betriebe an das Vorkriegsbochum.

Blick auf die Gastwirtschaft Uhlenbruch in den 1920er Jahren. Der Fotograf dieser etwa 100 Jahre alten Aufnahme stand etwa dort, wo sich in der Luisenstraße heute die Einfahrt zur Tiefgarage befindet.
Blick auf die Gastwirtschaft Uhlenbruch in den 1920er Jahren. Der Fotograf dieser etwa 100 Jahre alten Aufnahme stand etwa dort, wo sich in der Luisenstraße heute die Einfahrt zur Tiefgarage befindet. © Stadt Bochum, Presseamt | Repro der Fotografen der Stadt Bochum

Doch zurück in die Gegenwart. Polier Udo Sandbrink führt in den entkernten Restbaukörper der Uhle. Da, wo sich einst die Küche befand, haben die Abbrucharbeiter den rund zehn Meter langen, knapp fünf Tonnen schweren Stahlträger freigelegt. „Nach dem Krieg wurde alles verbaut, was nützlich sein konnte“, vermutet er. Der eigentlich für Brücken benötigte Koloss wird mit einem Autokran gesichert. Er hat in der Uhle praktisch die Decke der kompletten Gaststube getragen, zuverlässig, beinahe 75 Jahre lang, als ehernes Rückgrat.

Dann geht alles minutenschnell. Mit einem Schneidbrenner trennt Sandbrink den Träger von den Wänden, legt ihn damit frei. Der Autokran hebt an und das Stahlungetüm schwebt – nun reiner Schrott – durch den Junihimmel. Bis er auf Holzbohlen sicher auf dem Dr.-Ruer-Platz landet. Rund 1500 Euro bringt solch ein Brocken beim Schrotthändler, immerhin.

Mit einem Autokran wurde der rund zehn Meter lange Stahlträger aus dem Gebäude gehoben. Auf dem Dr.-Ruer-Platz verfolgten zahlreiche Schaulustige das Manöver.
Mit einem Autokran wurde der rund zehn Meter lange Stahlträger aus dem Gebäude gehoben. Auf dem Dr.-Ruer-Platz verfolgten zahlreiche Schaulustige das Manöver. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Gasthaus war vor dem Krieg ein ansehnlicher Bau

Für die Sparkasse ist der Architekt Michael Allweins vor Ort, der nicht nur den Abriss koordiniert, sondern vor allem für den geplanten Neubau zuständig ist. „Ich kenne die alten Zeichnungen, dieses Gebäude der Gaststätte war früher ein ansehnlicher Bau.“ Davon ist nicht viel übrig. Das Dach ist futsch und die Abbruchhämmer graben sich unerbittlich in das Ziegelmauerwerk. Bis zum 21. Juni soll oberirdisch alles verschwunden sein, „dann sind wir auf Kellerniveau“, so Allweins.

Zuvor gestattet Polier Sandbrink noch einen Blick in eben diesen Keller. Der atmet die vergangene Zeit. Eine Treppe, die einst direkt von den kühl gelagerten Bierfässern in den Schankraum führte, endet an einer vermauerten Wand. Doch zwischen den klar zu erkennenden Gewölbebögen des 19. Jahrhunderts meint der Besucher so etwas wie einen Hauch vergangenen Bierseligkeit zu erschnuppern.

Nach dem 11. Juli kann mit Neubau begonnen werden

Zurück im Tageslicht erläutert der Architekt der Sparkasse wie es weitergeht. Die Kellerwände bleiben zunächst erhalten und alles wird mit Abbruchschutt zugeschüttet. Bis zum 11. Juli soll der schmale Zuweg für schwere Baufahrzeuge über die Luisenstraße möglich sein. Erst dann wird mit den Arbeiten für die Baugrube des Neubaus begonnen. In rund 13 Metern Tiefe erfolgt eine Gründung auf dem dort anstehenden Mergel – in direkter Nachbarschaft zur Tiefgarage.

Die Sparkasse hat angekündigt, im Neubau eine Gastronomie unterzubringen. Wer weiß, vielleicht lebt der Name „Uhle“ ja fort und beide oder zumindest eine der beiden Eulen, die im Stadtarchiv gesichert worden sind, kehren an den alten Ort zurück, um eine Verbindung von der Vergangenheit in die Zukunft zu schaffen...