Bochum. Die Friedensbewegung bringt im Zeichen des Ukraine-Krieges mehr Teilnehmer auf die Straße. Kundgebungen gibt es an zwei Stationen in Bochum.

„Kein Krieg in Europa und anderswo“ lautete der Titel des Ostermarsches Rhein/Ruhr, und lange hat er nicht mehr so viele Teilnehmer auf die Straße gebracht. Zwei Stationen mit Kundgebungen waren am zweiten Schwerpunkttag in Bochum: an der Wattenscheider Friedenskirche und zum Abschluss des Ostersonntags am Bermudadreieck vor der KAP-Bühne. Unter dem Eindruck des aktuellen Krieges in der Ukraine nahmen deutlich mehr Menschen als in den vergangenen Jahren teil.

Auf gut 150 Teilnehmer schätzte die Polizei den Tross, der sich von Essen nach Gelsenkirchen und Bochum sowie nach Herne bewegte. Zwischenfälle mussten nicht protokolliert werden. An den einzelnen Stationen fanden sich weitere Zuhörer zu den Kundgebungen ein.

Mehr Teilnehmer als in den Vorjahren waren dabei, berichtet die Polizei, die den Fahrrad-Konvoi begleitete, hier in Bochum-Wattenscheid.
Mehr Teilnehmer als in den Vorjahren waren dabei, berichtet die Polizei, die den Fahrrad-Konvoi begleitete, hier in Bochum-Wattenscheid. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Kundgebungen in Wattenscheid und Bochum

Am Anfang der Wattenscheider Fußgängerzone trafen die Radfahrer mit einer minimalen Verspätung gegenüber dem straffen Etappenplan ein, und wurden mit Applaus von den Wartenden empfangen. Felix Oekentorp vom örtlichen Komitee „Stelen der Erinnerung“ begrüßte die Teilnehmer und erinnerte an die Wattenscheiderin Betti Hartmann, die 1942 in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde.

„Ihr seid gerade an dem Platz vorbeigefahren, der gestern vor neun Jahren einstimmig von der Bezirksvertretung in Betti-Hartmann-Platz umbenannt worden ist“, beschrieb er. Der Wattenscheider Autor Reinhard Junge nahm zunächst den Anwurf des Bundestagsabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff (FDP) auf, die Teilnehmer an den Ostermärschen seien die „fünfte Kolonne Wladimir Putins“. „Ich sehe hier nur Fahrräder und keine Panzer, das ist absoluter Blödsinn“, kritisierte er.

Am Konrad-Adenauer-Platz endete der zweite Tag des Ostermarsches Rhein/Ruhr von Essen nach Bochum.
Am Konrad-Adenauer-Platz endete der zweite Tag des Ostermarsches Rhein/Ruhr von Essen nach Bochum. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Rolle der Geheimdienste im Krieg

Er sei selbst enttäuscht gewesen, erzählte Junge, als er feststellen musste, dass die Nachrichten der amerikanischen Geheimdienste, Russland sei in die Ukraine einmarschiert, „diesmal ausnahmsweise die Wahrheit war“. Die amerikanische Beteiligung sei bei den Kriegen in Vietnam oder dem Irak schon ganz anders dargestellt worden.

Nach dem Angriff auf die Ukraine seien die Betroffenheit und auch die Hilfsbereitschaft in Deutschland groß wie noch nie. „Allerdings haben manche Syrer bis zu sieben Jahre auf die Unterstützung warten müssen, die ukrainische Flüchtlinge jetzt erfahren“, schränkte er ein.

Jochen Bauer von der GEW Bochum hielt die Rede bei der Ostermarsch-Station am Bermudadreieck.
Jochen Bauer von der GEW Bochum hielt die Rede bei der Ostermarsch-Station am Bermudadreieck. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Appell gegen weitere Rüstung

Junge erinnerte, es gebe nicht nur jetzt Tote auf beiden Seiten zu beklagen, aber es seien in jüngster Vergangenheit auch ukrainische Granaten gegen Separatisten eingesetzt worden: „Diese Vorgeschichte wollen viele nicht hören, dann gilt man gleich als Putin-Versteher.“

Und schließlich mahnte er, es seien gerade 33 Jahre vergangen, seit erstmals Bundeswehr-Kampfflugzeuge Bomben über dem ehemaligen Jugoslawien abgeworfen hätten.

„Jetzt noch mehr Waffen zu schicken verlängert den Krieg und das Morden“, schloss er, „das muss aufhören. Am Krieg gewinnen nur die Rüstungskonzerne.“

Vergleich mit dem Ersten Weltkrieg

Auch Jochen Bauer vom Landesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft monierte bei der Abschluss-Kundgebung des Sonntags die Beschreibung „fünfte Kolonne Putins“. Diese Verunglimpfung zeige, dass es im Krieg in der Ukraine nicht um Demokratie und Menschenrechte gehe, sondern um geopolitische und kapitalistische Interessen.

Stattliche Leistung

Vom Start am Ostersonntag in Essen dabei war auch Dirk Rücker (64), obwohl der Schienenersatzverkehr keine Fahrräder mitnehmen durfte. So war die Anfahrt für den Bottroper schon zwölf Kilometer lang.

Seit März 2021 hat er allerdings auch schon stolze 22.000 Kilometer mit seinem 40 Jahre alten Fahrrad - ohne Akku-Unterstützung - zurückgelegt. „Nach meinem Schlaganfall meinte mein Arzt, ich sollte mich bewegen. Aber er hat nicht gesagt, wie viel.“ Für den Rückweg steuerte der ehemalige Bergmann die Erzbahntrasse ab der Jahrhunderthalle an.

„Die Kapitalkonzentration ist heute vergleichbar mit der vor dem Ersten Weltkrieg. Dieser Krieg verspricht reiche Rendite, vor diesem Hintergrund müssen die Alarmglocken läuten“, mahnte der Redner. „Seit dem Ersten Weltkrieg ist klar, Krieg hat nichts Heldenhaftes. Krieg ist immer Krieg gegen die Zivilbevölkerung, deshalb ist der Krieg an sich ein Verbrechen.“