Bochum-Werne. Gesamtschüler klären Mitschüler über die Geschichte von Bochum in der NS-Zeit auf. Bei diesem „Rollentausch“ kommt ihnen der Fußball zu Hilfe.

Anfangs sei sie ein bisschen nervös gewesen, gesteht Sofia Mitru, die die Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum-Werne besucht. Doch das Lampenfieber habe sich schnell gelegt. Und dann lief alles wie von selbst. Sofia, Robin John und andere aus einem Projekt-Kurs der Oberstufe tauschen dieser Tage immer wieder mal die Rollen und werden zu Lehrern. In kleinen Gruppen klären sie Mitschüler über die Geschichte von Bochum in der NS-Zeit auf. Und der VfL Bochum hilft ihnen dabei.

Schüler werden zu Lehrern – und der VfL Bochum hilft dabei

Krieg, Propaganda, Antisemitismus – all das, was sich in der Zeit des Nationalsozialismus unter Adolf Hitler abspielte, ist heute leider aktueller denn je. Da reicht ein Blick auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine. „Umso wichtiger, dass wir gerade auch jetzt verstärkt an der Demokratieerziehung arbeiten“, findet Schulleiterin Claudia Högemann. Unterstützt wird sie dabei von ein paar neuen, jungen „Kollegen“ – den Schülern des Projekt-Kurses der Jahrgangsstufe 12.

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Diese haben sich für die kommende Woche vorgenommen, ihre Mitschüler darüber aufzuklären, wie das damals in Nazi-Deutschland und speziell in Bochum war. Als Instrument nutzen sie eine Ausstellung des VfL Bochum, 2020 auf Initiative von jungen Fans erstellt. Darin wird Geschichte modern aufgearbeitet. Da erscheint ein Hitler-Zitat auch schon mal als Twitter-Beitrag, die Taube wird durch einen Reichsadler ersetzt.

Robin John und andere Teilnehmer eines Projekt-Kurses aus der Oberstufe der Willy-Brandt-Gesamtschule fassen die Geschichtsausstellung des VfL Bochum in Worte und bringen sie Mitschülern näher.
Robin John und andere Teilnehmer eines Projekt-Kurses aus der Oberstufe der Willy-Brandt-Gesamtschule fassen die Geschichtsausstellung des VfL Bochum in Worte und bringen sie Mitschülern näher. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Florian Kovatsch und Finn Richter, Sozialarbeiter des VfL-Fanprojekts, haben die Schüler zuvor in einem Workshop zu den Themen NS-Zeit und „Fake-News“ geschult. „Wir wollen über den Fußball Wissen an die Schulen bringen“, sagt Kovatsch, „und für ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein sorgen.“ So erfahren die Oberstufenschüler, dass der Name VfL Bochum erst 1938 entstand – „auf Wunsch der NSDAP“, verrät Kovatsch. „Das weiß nur kaum jemand.“

Lob für engagierte Lehrer

Die Willy-Brandt-Gesamtschule trägt das Siegel „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“. Dem fühle man sich verpflichtet, sagt Schulleiterin Claudia Högemann. Sie lobt nicht nur die Schüler im Projekt-Kurs, sondern auch das Engagement des Kollegiums.

Namentlich nennt sie die Lehrer David Beckeherm (Sozialwissenschaften) und Simon Koch (Geschichte), die sehr engagiert seien „und den Nerv der Schüler treffen“. Zusätzlich zu diesem „Schüler unterrichten Schüler“-Projekt sind auch Fahrten ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz geplant.

Diese und viele andere Informationen über die NS-Zeit tragen die Projekt-Kurs-Teilnehmer an ihre Mitschüler weiter. Etwa dass die NSDAP für Antisemitismus und Anti-Demokratie stand, dass sie zunächst eine eher unbedeutende Partei war, bis die Weltwirtschaftskrise und in der Folge hohe Arbeitslosigkeit den Aufschwung brachten. Nach „dem letzten demokratischen Sommer 1932“ habe die NSDAP die Reichstagswahl gewonnen – und das Unheil seinen Lauf genommen.

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Damit sich Geschichte nicht wiederholt, klären Robin John, Sofia Mitru & Co. auf. Sollte man unter die dunkle Vergangenheit Deutschlands einen Schlussstrich ziehen? Diese Frage stellen sie ihren Mitschülern und liefern die Antwort mit: „Nein, wir dürfen unsere Vergangenheit nicht vergessen, sondern aus ihr lernen.“ Am Ende appellieren sie an ihre aufmerksamen Zuhörer: „Erzählt das, was ihr heute gelernt habt, euren Freunden, sprecht mit ihnen darüber.“

Das Feedback ist durchweg positiv. „Haben sie gut gemacht, gut beschrieben, kurz und knapp. Ist mal was anderes, so etwas von Schülern zu hören“, loben Leon Niestroy und Max Rupietta aus der 10d, die als erste Klasse in den Genuss des Vortrags kamen. „Die können sich besser in uns hineinversetzen.“ Andere zeigen sich richtig beeindruckt und tuscheln: „Also, wir hätten das nicht geschafft, so frei zu sprechen.“