Bochum-Weitmar. Bürger aus Bochum-Weitmar gehen nicht mehr gerne im Wald spazieren. Dieser verwahrlose immer mehr, kritisieren sie. So kontert die Stadt.

„Wir gehen gerne ins Weitmarer Holz“, sagt Inga Rüsen – und fügt ein „eigentlich“ sofort hinterher. Denn seit gut einem Jahr machen ihr und anderen Bürgern aus Bochum-Weitmar die Spaziergänge dort, in „ihrem“ Wald, keinen Spaß mehr. Er werde total vernachlässigt und gebe kein schönes Bild mehr ab. Überall lägen gefällte Baumstämme herum und würden nicht abtransportiert. Der Eindruck täuscht tatsächlich nicht. Und er ist auch der Stadt Bochum bekannt. Doch laut Verwaltung gibt es für den Zustand des Weitmarer Holzes einen guten Grund.

Schandfleck Weitmarer Holz? Bürger greifen Stadt Bochum an

Inga Rüsen ist Mitglied der Bürgerinitiative „Bürgerstimme“, die sich in Weitmar-Mark vor gut einem Jahr gegründet hat. Eben weil im Stadtteil so viele Bäume gefällt werden – sowohl im Zentrum als auch im Wald. „Wir wollen unseren Stadtteil mitgestalten und vor allem Grün halten“, sagt Inga Rüsen. „Wir lieben unsere Bäume.“

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Viele von diesen liegen nun im Unterholz des Weitmarer Holzes herum. „Als hätte ein Riese Mikado gespielt“, sagt Barbara Lange, Mitgründerin der „Bürgerstimme“. Das Abholzen habe vor fast einem Jahr begonnen. „Schon damals war ich fix und fertig.“ Inzwischen sei es noch schlimmer. Mindestens 600 Bäume, die gefällt wurden, will sie gezählt haben. „Und das sind nur die, die man von den Wegen aus sieht.“

Bürgerinitiative kritisiert: Bäume haben in Bochum keine Lobby

Auch Manfred Böttcher von der „Bürgerstimme“ ärgert sich: „Ich gehe an sich gerne ins Weitmarer Holz. Das ist das einzige Gebiet in Bochum, das den Namen Wald verdient hat.“ Aber schön sehe es hier wirklich nicht mehr aus. „Die Bäume wurden umgehauen und dann einfach liegen gelassen. Hier und da ein Holzhaufen – okay. Ist ja auch ökologisch sinnvoll. Aber überall?“

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Auch im Zusammenhang mit diversen Baumaßnahmen im Stadtbezirk ärgert sich die Bürgerinitiative über die vielen gefällten Bäume. „In anderen Städten haben Bäume einen höheren Stellenwert“, meint Barbara Lange. „Die versuchen, möglichst viele Bäume zu retten, in dem sie etwa Saugbagger einsetzen, um die Wurzeln nicht zu beschädigen.“

Stadt Bochum: Gefällte Bäume müssen im Wald liegen bleiben – aus diesem Grund

„Die nutzen wir ebenfalls“, entgegnet Marcus Kamplade, der Baum-Manager der Stadt, und nennt als Beispiel die aktuellen Arbeiten an den Radwegen entlang der Königsallee. „Hier kommt der Saugbagger zum Einsatz. Mit der Folge, dass wir alle Bäume erhalten können.“ Auch an der Flottmannstraße habe man damit erfolgreich gearbeitet.

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Nur sei diese Methode leider nicht immer anwendbar. „Manchmal kommen wir mit dem Tiefbau nicht drumherum, ans Wurzelwerk zu gehen“, erklärt Kamplade. Da hänge es dann von der Baumart ab, ob sie durchkommt oder nicht. „Manche Bäume halten einen Wurzelschnitt aus, andere hingegen sind da ganz empfindlich. Das ist dann ein Abwägungsprozess, ob auf zehn Jahre gesehen der Aufwand für den Erhalt eines Baumes lohnt.“

Im Sommer gegründet

Die Bürgerinitiative „Bürgerstimme“ hat sich im Sommer 2021 in Weitmar-Mark gegründet. Kontakt kann über Barbara Lange aufgenommen werden: Tel. 0234 46 18 89 oder ba.lange@yahoo.de .

Baum-Manager Marcus Kamplade will der Bürgerinitiative einen Termin direkt vor Ort im Weitmarer Holz anbieten. „Dann kann ich das Ganze noch einmal erklären, wenn gewünscht.“

Bei den Fällungen im Weitmarer Holz handelt es sich laut Marcus Kamplade um „individuelle Waldpflege, ganz normale Durchforstungs-Maßnahmen“. Man gehe von Zeit zu Zeit durch alle städtischen Waldbestände, um durch gezielte Fällungen zukunftsträchtige Bäume zu fördern. „Sonst haben wir irgendwann nur Stangenhölzer.“

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Dass die Stämme liegen bleiben, gehe nicht anders, sagt Kamplade: „Wir müssen das sogar tun. Das hat mit der Bergbauvergangenheit zu tun.“ Im Bereich des Weitmarer Holzes habe es viele Kleinzechen gegeben. „Deshalb wird auch auf Schildern überall darauf hingewiesen, die Wege nicht zu verlassen. Diese Wege wurden schon in den 60er Jahren mit Beton gesichert.“

Aber abseits der Wege kann der Boden durchaus nachgeben, wenn die Stadt mit schwerem Gerät Baumstämme entsorgt. „Von daher haben wir keine andere Möglichkeit“, bittet Marcus Kamplade um Verständnis. Das sehe sicherlich mitunter nicht gut aus. Aber es stehe auch nirgendwo geschrieben, dass ein Wald aufgeräumt sein muss.