Bochum. Das EU-Verbot von Tattoo-Farben trifft die Bochumer Studios hart. Die Tattoo-Szene fürchtet mehr Schwarzarbeit von „Heim-Tätowierern“.

Das ab Dienstag geltende Verbot bestimmter Tattoo-Farben bringt das Geschäft vieler Bochumer Tattoo-Studios ins Wanken. Mit der Anpassung der Chemikalienverordnung „REACH“ sind nun EU-weit bestimmte Konservierungs- und Bindemittel verboten, die in gängigen Tattoo-Farbstoffen enthalten sind. Viele Tätowiererinnen und Tätowierer sagen Termine für bunte Tattoos ab.

„Alle Farben inklusive schwarzer Töne sind weggebrochen“, sagt Horst Bartosiewicz, Betreiber von „Rock a Hula Tattoo“ an der Herner Straße. Problem: Bartosiewicz hat sich auf bunte Tätowierungen spezialisiert, sie würden 80 Prozent seiner Einnahmen ausmachen. „Wir haben hier ein Farbsortiment mit hundert Farben, die jetzt entsorgt werden müssen – das ist Material im vierstelligen Bereich, was ich verliere“, so der Bochumer Tätowierer.

Bochumer Studios stellen bunte Tattoos noch vor Verbot fertig

Auf dem Markt seien aktuell nur REACH-konforme Töne in Schwarz, Weiß und einigen Schwarz-Schattierungen.

Auch Eric Jordan, Mitinhaber von „Black Rooster Tattoo“, tätowierte bislang über 90 Prozent seiner Kundschaft mit bunten Farben. 2021 habe er noch alles daran gesetzt, aufwendige bunte Tätowierungen fertigzustellen, bevor das Verbot in Kraft tritt.

In der Tattoo-Szene wolle man nicht als Dienstleister, sondern als Künstler betrachtet werden. „Das Traurige ist: Man versucht ja, sich in der Tattoo-Szene einen Namen zu machen, damit die Leute, wenn sie ein Tattoo sehen, fragen: ,Oh, das könnte von Eric Jordan sein’,“ so Jordan,, „Das ist alles zerstört, weil wir nun alle Schwarz-Grau machen.“ Eigentlich sei er „ein ziemlich bunter Typ“, doch jetzt müsse er sich neu erfinden und auf Schwarz und Grau umsteigen. „Wenn man uns die Farbe wegnimmt, machen wir weiter – wir geben nicht auf“, ist sich Jordan sicher.

Tattoo-Studios durch Pandemie ohnehin gebeutelt

„Ich habe Glück, dass ich mich schon vor längerem auf Porträts und realistische Tattoos in Schwarz-Weiß spezialisiert habe“, sagt Karsten Koch von „Submerge Tattoos“. Zehn bis fünfzehn Flaschen hätte auch er entsorgen müssen, „das waren sicher ein paar hundert Euro“. Vor der Pandemie arbeitete er als Gasttätowierer an verschiedenen Orten – als das nicht mehr ging, gründete er vor einem Jahr „Submerge Tattoos“. Aufgrund der coronabedingten Schließungen seien Tattoo-Studios wie seine aktuell ohnehin gebeutelt.

Das EU-weite Verbot der Farben können viele Tätowierer – wie auch Horst Bartosiewicz – nicht nachvollziehen. „Anscheinend müssen wir jemanden in die Suppe gespukt haben.“ Der Bochumer Tattoo-Künstler zweifelt die wissenschaftliche Grundlage für das Farben-Verbot an. Es gebe keine Studie, die die Schädlichkeit beweise, so Bartosiewicz.

„In meinen 27 Jahren als Tätowierer habe ich ein bis zwei Fälle erlebt, wo jemand die Farbe nicht vertragen hat.“ Das sei noch „in der Norm“. „Wir injizieren einen Farbstoff in die Haut, der da eigentlich nicht hingehört“ – seiner Kundschaft sei bewusst, dass eine Tätowierung keine „Wellness-Behandlung“ ist.

Tätowierer hoffe auf REACH-konforme Tattoo-Farben

Der Tätowierer sehe großen Bedarf an angepassten, REACH-konformen Farben. „Er habe da ein großes Fragezeichen – warum interessieren sich die großen amerikanischen oder brasilianischen Tattoo-Farben-Hersteller nicht für den europäischen Markt.“ Im nächsten Jahr kommt noch ein weiteres Problem auf die Tattoo-Branche zu: Die bislang noch erlaubten Pigmente „Green 7“ und „Blue 15:3“ drohen ebenfalls verboten zu werden.

Horst Bartosiewicz befürchtet, dass aufgrund dieser Gemengelage die Schwarzarbeit sogenannter „Heimtätowierer“ noch weiter zunehmen könnte. „Die bunte Tattoo-Farbe wird nicht verschwinden – das wird nur nicht mehr öffentlich gemacht“, so der Tätowierer, „es besteht bloß keinerlei Kontrolle mehr, wenn sich irgendwelche Holzköpfe Farben aus dem Internet bestellen – und dann in der Küche auf ihren Freunden, rumbraten’.“