Bochum. Die Gaspreise belasten Bochumer wie Peter W.: Kosten haben sich fast verdoppelt. „Wer soll das bezahlen?“, fragt er und ist damit nicht allein.

840 Euro muss Peter W. aus Bochum in diesem Jahr zusätzlich für Gas bezahlen. Er lebt zusammen mit seiner Frau in der gemeinsamen Wohnung in Wiemelhausen – der monatliche Abschlag für Heizung und Warmwasser steigt nun von 90 auf 160 Euro. Enorme Mehrkosten für Gas – das ist kein Einzelfall in Bochum.

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Der 61-Jährige war lange Kunde bei den Bochumer Stadtwerken, wechselte dann zum Gaslieferanten „Shell Energy“. Im November informiert ihn dieser: „Auf dem Gasmarkt sind die Beschaffungspreise stark angestiegen und diese Entwicklung setzt sich aktuell weiter fort. (...) Als Energielieferant können wir diese Marktentwicklung leider nicht beeinflussen und müssen deshalb Ihren Preis anpassen.“

Auf Anfrage teilt uns ein Unternehmenssprecher mit: „Preisanpassungen in dieser Höhe sind bei der aktuellen Marktsituation leider keine Seltenheit. Zum Vergleich: Die Beschaffungspreise für uns als Versorger haben sich für Gas seit Januar 2021 fast verfünffacht.“

Bochumer zu gestiegenen Gaspreisen: Wer soll das noch bezahlen?

Peter W. fragt sich derweil: „Wer soll das noch bezahlen?“ Er vergleicht online die Preise und kommt zu dem Entschluss: „Bei welchem Anbieter ich bin, ist im Prinzip egal.“ Das günstigste Angebot für Neukunden findet er bei den Stadtwerken, es liegt allerdings immer noch rund zehn Euro über dem Abschlag von 160 Euro, den er nun zahlen muss. Weitere Angebote liegen bei 313 Euro – oder weit darüber.

Bei gleichem Verbrauch zahlt Peter W. nun 840 Euro mehr im Jahr als zuvor. „Das ist eine enorme Mehrbelastung“, gibt er zu bedenken. Zumal er schon viel mache, um Energie und Kosten zu sparen, beispielsweise habe er die Kellerdecke seiner Parterrewohnung gedämmt.

„Das ist eine enorme Mehrbelastung“, sagt Peter W. aus Bochum zu den enorm gestiegenen Gaskosten.
„Das ist eine enorme Mehrbelastung“, sagt Peter W. aus Bochum zu den enorm gestiegenen Gaskosten. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Enorme Kosten in der Grundversorgung nach Kündigung von Anbieter

Ähnlich wie ihm geht es auch einer weiteren Bochumerin, die anonym bleiben möchte. Sie lebt in einer Erdgeschosswohnung mit 52 Quadratmetern – Altbau. Vor einem Jahr wechselt sie zum Anbieter Gas.de der Marke Grünwelt, zahlt 60 Euro Gaskosten pro Monat. Doch mit Verweis auf die hohen Gaspreise an internationalen Märkten teilte das Unternehmen im Dezember mit, die Gaslieferungen einzustellen.

Die Bochumerin landet beim Grundversorger, den Stadtwerken. Sie bezahlt laut eigenen Angaben nun 160 Euro. „Alle anderen Anbieter nehmen über 220 Euro aufwärts, wenn sie überhaupt Kunden aufnehmen“, schildert die Bochumerin und macht deutlich: „Das führt dazu, das Leute nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt beschreiten sollen.“

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Laut Verbraucherzentrale existiert für die Kündigung durch den Anbieter Gas.de keine Rechtsgrundlage. Sie empfiehlt unter anderem, einen Schadensersatz einzufordern. Falls der Grundversorger zudem zu teuer sei, sollten Betroffene sich möglichst kurzfristig einen preisgünstigeren Anbieter etwa über Vermittlungsportale suchen.

Stadtwerke Bochum müssen 4500 Kunden von Gas.de und Stromio übernehmen

Die Stadtwerke hätten insgesamt rund 1500 Bochumer Kunden von Gas.de und 3000 Kunden des Anbieters Stromio übernehmen müssen. Sie sind als Grundversorger verpflichtet, die Kunden zu versorgen „und in der Konsequenz kurzfristig zu den aktuell hohen Preisen Energiemengen hinzuzukaufen“, erklärt Sprecher Kai Krischnak. Damit sei die ursprüngliche Kalkulation der Grundversorgungstarife wirtschaftlich nicht mehr zu halten. Krischnak: „Ausschließlich für Neukunden wurde daher zum 20. November 2021 ein zweiter Gas-Grundversorgungstarif (...) eingeführt, die den aktuellen Beschaffungskosten Rechnung tragen.“

Hohe Gaspreise: Was tun?

Auch die Verbraucherzentrale spricht von einer drastischen Entwicklung der Energiepreise. Manuela Weber, Umweltberaterin, empfiehlt, dass Informationsschreiben und Jahresabrechnung genau kontrolliert werden sollten – bei Preiserhöhungen habe man in der Regel ein Sonderkündigungsrecht und könne sich einen günstigen Anbieter suchen.

Außerdem sollte man beachten, ob beispielsweise Grundpreis und Preis pro Kilowattstunde mit der Vertragsbestätigung beziehungsweise der jüngsten Mitteilung über die Preisänderung übereinstimmen. Zudem sollte die Abrechnung auf weitere, mögliche Fehler überprüft werden.

Neue Abschläge müssten zudem realistisch sein – und zum Verbrauch der vorherigen Abrechnung passen.

Weiterführende Informationen gibt es auf der Homepage der Verbraucherzentrale: www.verbraucherzentrale.de

Die Situation auf den Energiemärkten sei dramatisch und durch massiv gestiegene Beschaffungspreise geprägt, macht der Stadtwerkesprecher deutlich. Binnen eines Jahres hätten sich die Gashandelpreise an der Börse versechsfacht. Auch für die bisherigen Kunden der Stadtwerke Bochum seien die Preise zum 1. November angepasst worden. „Bochumer Gaskunden mit einem Stadtwerke Basis-Vertrag und einem durchschnittlichen Verbrauch von 7500 Kilowattstunden im Jahr müssen seit November 2021 mit einer monatlichen Mehrbelastung von rund drei Euro brutto rechnen“, erklärt Krischnak.

Eon: „Können uns Marktbedingungen nicht vollständig entziehen“

„Die Lage auf den Energie-Märkten ist historisch einzigartig“, betont auch Stefan Moriße, Sprecher des Unternehmens Eon. Beeinflusst wird das von verschiedenen Faktoren – neben den Beschaffungskosten auch von staatlich festgelegte Steuern, Netzentgelte, Abgaben und Umlagen wie der staatlichen CO2-Belastung beim Erdgas. „Wie viele andere Anbieter auch, können wir uns den aktuellen Marktbedingungen leider nicht vollständig entziehen“, so Moriße weiter. Für die Bestandskunden von Eon in Bochum habe sich der Gaspreis und auch der Strompreis zum Jahreswechsel aber nicht verändert.

Bei Shell hingegen hat sich der Preis für Gas innerhalb eines Jahres deutlich erhöht. Zahlten Kunden bei einem Verbrauch von 18.000 Kilowattstunden zum 5. Januar 2021 rund 970 Euro pro Jahr, sind es zwölf Monate später etwa 3740 Euro. „Das liegt in erster Linie an den drastisch gestiegenen Beschaffungspreisen für Strom und Gas. So hat sich der Beschaffungspreis für (...) Gas sogar fast verfünffacht“, erklärt Dirk Leichsenring, General Manager der Shell Energy Retail GmbH.

Auch die Kunden von Yello Strom, 100-prozentiges Tochterunternehmen des Energieversorgungsunternehmen EnBW, zahlen nun mehr für Gas. Bezahlten Kunden mit einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden Gas pro Jahr im Januar 2021 rund 1000 Euro, sind es ein Jahr später rund ein Viertel mehr. Neukunden, die im Januar 2022 einen Vertrag abschlossen, zahlen bei diesem Verbrauch rund 2500 Euro im Jahr für Gas.