Bochum. Vier Wochen musste ein schwer erkrankter Covid-Patient in Bochum stationär behandelt werden. Er sagt: „Man darf die Hoffnung niemals aufgeben!“

Als er im WAZ-Gespräch den Moment beschreibt, in dem er seine Frau nach vier endlosen Wochen wieder in die Arme schließen durfte, weint Dr. Wolfgang Hahn. Acht Monate ist das her. Doch der 73-Jährige wird bis heute von seinen Gefühlen übermannt. Er ist einer von aktuell 24.734 Corona-Infizierten in Bochum, die das Gesundheitsamt als „genesen“ führt. Den meisten blieb ein Überlebenskampf erspart. Wolfgang Hahn hat ihn gemeistert. Mit seiner Geschichte will er anderen Erkrankten Mut machen und Kraft geben: „Man darf die Hoffnung niemals aufgeben!“

An die Pandemie denkt der Wattenscheider zunächst nicht, als er sich im vergangenen März unwohl und erschöpft fühlt. „Sind wohl die Medikamente“, denkt Hahn, der bis zu seinem Ruhestand als IT-Führungskraft bei ThyssenKrupp gearbeitet hat. Ein Mathematiker. Ein Kopfmensch. Wird schon nichts Schlimmes sein.

Infektion führt zu bleierner Müdigkeit

Es kommt anders. Hahn ist zu dieser Zeit noch nicht geimpft. „Ich war noch nicht dran.“ Mit seiner Ehefrau macht er einen Corona-Schnelltest. Beide positiv, ebenso wie ein folgender PCR-Abstrich. Wo sie sich angesteckt haben? Im Urlaub oder bei größeren Veranstaltungen waren sie nicht. Womöglich beim Einkaufen. „Man weiß es nicht.“

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Was Wolfgang Hahn alsbald weiß: Das Virus ist ernst zu nehmen. Während seine Frau in der 14-tägigen Quarantäne kaum Symptome zeigt, überfällt ihn eine bleierne Müdigkeit. Er ist ständig „kaputt, als ob man drei Tage nicht geschlafen hätte, regelrecht apathisch“.

Oberärztin: 30 Prozent überleben nicht

Ein Notarztwagen bringt Hahn ins St.-Josef-Hospital. Zehn Tage wird er auf der Isolierstation versorgt. Zehn Tage, in denen er ständig auf einen Baum im Stadtpark guckt und sieht, „wie der immer grüner wurde“. Ihm geht’s immer schlechter. So schlecht, dass er auf die Intensivstation verlegt werden muss. Eine Sauerstoffmaske hilft beim Atmen.

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30 Prozent der Patienten in seinem Alter und mit seinem kritischen Krankheitsverlauf überleben Covid-19 nicht, sagt die Leitende Oberärztin Dr. Renate Schlottmann. Wolfgang Hahn will zu den glücklichen 70 Prozent gehören. Er schaut sich um und erkennt: Es gibt so viele Erkrankte, die deutlich schlimmer dran sind. Er weiß: Medizinisch ist er in der Uni-Klinik in besten Händen. „Die Ärzte und Pfleger haben einen Knochenjob, den sie großartig und voller Empathie ausfüllen.“ Er glaubt fest: Das findet ein gutes Ende. Ich komm’ hier wieder raus.

Auf der Intensivstation des St.-Josef-Hospitals in Bochum werden derzeit fünf Covid-Patienten versorgt. Durch die Omikron-Variante wird in Kürze eine deutliche Zunahme befürchtet.
Auf der Intensivstation des St.-Josef-Hospitals in Bochum werden derzeit fünf Covid-Patienten versorgt. Durch die Omikron-Variante wird in Kürze eine deutliche Zunahme befürchtet. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Mobiltelefon ist die Verbindung zur Außenwelt

Seine Familie ist wegen des Besuchsverbotes schrecklich weit weg – und doch immer an seiner Seite. Seine Frau sieht er nur einmal: „durch das Fenster auf der Intensivstation. Wir haben uns zugewunken.“ Das Mobiltelefon ist seine Verbindung zur Außenwelt. Per WhatsApp und Facebook hält er Kontakt zu seiner Frau, zu den drei Kindern, zu den vier Enkeln, zu den Freunden. „Dieser familiäre und soziale Rückhalt ist in solchen Lebenskrisen überlebenswichtig“, sagt er.

Kliniken versorgen 49 Corona-Patienten

49 Covid-Patienten werden aktuell in den Bochumer Kliniken versorgt, 17 von ihnen auf der Intensivstation.

Das Katholische Klinikum (KKB) behandelt 24 Corona-Erkrankte, davon fünf Intensivpatienten. „90 Prozent sind nicht geimpft“, erklärt Oberärztin Dr. Renate Schlottmann.

KKB-Chef Prof. Christoph Hanefeld befürchtet durch die Omikron-Variante eine deutliche Steigerung der Patientenzahlen. Dann könnten auch die Engpässe beim Personal nochmals zunehmen.

Zu den aktuellen Corona-Maßnahmen der Politik sagt Hanefeld: „Was am 28. Dezember richtig ist, wäre auch schon am 23. Dezember richtig gewesen.“

Nach vier Wochen kann Wolfgang Hahn entlassen werden. Die Rückkehr nach Hause ist – siehe oben – voller Emotionen. Es folgen drei Wochen Reha im niedersächsischen Bad Rothenfelde. Die Salinen tun ihm so gut, dass er zu Pfingsten mit seiner Frau Urlaub an der Nordsee macht. Schaffte er anfangs nur wenige Schritte ohne Pause, sind nun wieder längere Spaziergänge möglich.

Covid-Patient sagt: Heute geht’s mir gut

„Heute geht es mir gut“, sagt Wolfgang Hahn. Etwas kurzatmig sei er noch. „Aber das darf man mit 73 auch sein.“ Im Herbst, nach der ersten Impfung als Genesener, konnte er wieder seine geliebte Gartenarbeit verrichten. Riesig freut er sich auf das Weihnachtsfest, dem für ihn im Kreis der Familie diesmal eine ganz besondere Bedeutung innewohnt.

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