Bochum. In Bochum wird erstmals ein Corona-Patient aus Bayern behandelt. Derweil steht der Arzt in der Kritik, der einen Lockdown für Geimpfte fordert.

Bochum erwartet den ersten Corona-Patienten aus Bayern. Am Sonntag (28.) soll es zu der Notaufnahme im St.-Josef-Hospital kommen. Dort warnt Geschäftsführer Prof. Christoph Hanefeld vor einer baldigen Überlastung der Intensivstationen auch in NRW – und übt Kritik an seinem Bochumer Kollegen Dr. Kenan Katmer, der in der WAZ einen Lockdown für Geimpfte gefordert und damit kontroverse Reaktionen ausgelöst hat.

Als die „größten Virenschleudern“ bezeichnet der Altenbochumer Hausarzt die geimpften Menschen (in Bochum aktuell 263.195). Sie fühlten sich vielfach zu sicher und würden dadurch unvorsichtig. Notwendig sei daher ein zweimonatiger Lockdown für Geimpfte, sagt Katmer, der auch vier Testzentren in Bochum betreibt.

Klinik-Chef: Menschen werden noch mehr verunsichert

Das sei eine Meinung „fernab jeder seriösen medizinischen Einschätzung“, entgegnet Christoph Hanefeld, Chef des Katholischen Klinikums Bochum, und befürchtet: „So werden die Leute noch mehr verunsichert.“ Zwar sei es richtig, dass Geimpfte nicht zu 100 Prozent vor einer Infektion geschützt sind. „Entscheidend aber ist, dass Geimpfte in aller Regel keine schweren Krankheitsverläufe zeigen.“ Anders als Ungeimpfte, die den Großteil der Patienten und Toten in den Krankenhäusern ausmachten. Sie seien Treiber der Pandemie. Für sie müsse wenn schon kein Lockdown, so zumindest die strenge 2G-Regeln gelten.

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Auf den Intensivstationen ist die Situation zunehmend angespannt. Laut Intensivmediziner-Vereinigung Divi sind aktuell elf der 185 Intensivbetten in Bochum frei, was die erste innerdeutsche Hilfsaktion mit dem bayerischen Patienten am Sonntag möglich macht. Noch. Denn in den nächsten Wochen steuere auch NRW auf eine Überlastung der Intensivstationen zu, sagt Hanefeld. Im Katholischen Klinikum gibt es bereits erste Pläne, nicht lebenswichtige Operationen zu verschieben.

Chef der Kassenärzte spricht von „absurdem“ Vorschlag

Als „vollkommen paradox“ weist auch Dr. Eckhard Kampe den Vorstoß seines Kollegen Katmer zurück. „Geimpfte haben eine Virenlast auf niedrigem Niveau, anders als bei den Nichtgeimpften. Ausgerechnet die Geimpften in den Lockdown schicken zu wollen, ist deshalb völlig absurd“, sagt der Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung. Das Gebot der Stunde sei weiterhin, die Impfquote zu erhöhen. Die stagnierte in Bochum auch am Freitag bei 71,2 Prozent.

Der Bochumer Hausarzt Dr. Kenan Katmer stößt mit seiner Forderung nach einem Lockdown für Geimpfte auf Kritik von Kollegen.
Der Bochumer Hausarzt Dr. Kenan Katmer stößt mit seiner Forderung nach einem Lockdown für Geimpfte auf Kritik von Kollegen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Der viel kritisierte Dr. Kenan Katmer bleibt bei seiner Meinung, die er noch einmal präzisiert. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sei natürlich ein genereller Lockdown am besten und wirkungsvollsten. „Aber der steht ja nicht in Aussicht. Aus meiner Sicht würde daher ein Lockdown für Geimpfte reichen. Wir müssen die Gesunden und Geimpften schützen. So würde das gehen.“

Hausarzt: Viele Geimpfte fühlen sich zu sicher

Denn, auch dabei bleibt Dr. Katmer: „Viele Geimpfte schützen sich nicht ausreichend, weil sie sich zu sicher fühlen. Alle müssen wissen, dass geimpft zu sein nicht bedeutet, dass einem nichts mehr passieren kann. Auch Geimpfte können erkranken und das Virus weiter verbreiten. Das müssen wir verhindern.“

Patienten kamen bisher aus dem Ausland

Das St.-Josef-Hospital ist aktuell die einzige Klinik in Bochum, die sich an der innerdeutschen Corona-Hilfsaktion in NRW beteiligt. Erstmals wird ein Covid-Patient aus Bayern eingeflogen. Bislang kamen die Intensivpatienten aus Italien, Rumänien und den Niederlanden.

Anfang der Woche hatte das Bergmannsheil einen 59-jährigen Covid-Patienten aus Rotterdam aufgenommen. Durch die rasant steigenden Infektionszahlen gelten die Krankenhäuser in den Niederlan­den als überlastet.

Deshalb plädiert Dr. Katmer dafür, das Einhalten der AHA-Regeln (Maske, Hygiene, Abstand) strenger zu kontrollieren. „Das ist das A und O.“ Gleichzeitig müsse man die Ungeimpften zum Impfen bewegen, „denn die sind es ja, die auf den Intensivstationen liegen und unser Gesundheitssystem belasten“. Es gebe ja auch noch Patienten mit anderen Krankheiten zu versorgen. „Wir verlieren sonst viele Menschen.“

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Öffentlichen Druck hält Kenan Katmer bei den Ungeimpften für das richtige Mittel. „Die verschärften Einschränkungen jetzt sind der richtige Weg. Wir müssen denen das Leben schwer machen, die müssen das spüren.“ Ein erste Wirkung der Maßnahmen stellt auch Katmer fest: „Wir führen jetzt mehr Erstimpfungen durch.“