Bochum. Im Schauspielhaus Bochum hatte „Die unendliche Geschichte“ Premiere. Das Familienstück ist bunt und unterhaltsam, wenn auch einen Tick zu lang.

Theaterzauber, Musical-Stimmung und eine Reise ins Abenteuer – das alles und noch viel mehr bietet das neue Kinder- und Familienstück im Schauspielhaus Bochum: Vorhang auf für „Die unendliche Geschichte“!

Nach ein paar Termin-Verschiebungen ist die „Unendliche“ nun endlich da: Samstag war Premiere im Großen Haus, wo coronabedingt viele Plätze leer blieben, nun etwa die Hälfte der 800 Sitze darf aktuell verkauft werden. Das Publikum folgt der Aufführung mit Mund-/Nasen-Maske.

Schauspielhaus Bochum spielt unter Corona-Schutzbedingungen

Auf die Bühne gebracht hat das Stück die niederländische Regisseurin Liesbeth Coltof, Basis ist Michael Endes 1979 erschienenes Buch, das bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Schließlich geht es in dem Wälzer um Mitmenschlichkeit und Vertrauen, und darum, wie wichtig es ist, der Fantasie an die Macht zu verhelfen, ohne darüber sein eigenes Leben zu verlieren. Das war Endes Anspruch, und muss es logischerweise auch auf dem Theater sein.

Dem wird die muntere Aufführung in jedem Moment gerecht, denn sie gibt sich Endes geheimnisvoller, verzauberter Gegenwelt Phantásien hemmungslos hin. Selten hat man im Schauspielhaus ein so aufwendiges Bühnenbild (Rieks Swarte) und so tolle Kostüme (Carly Everaert) gesehen; man denke nur an den von Luftballons getragenen weißen Glücksdrachen Fuchur, an die Kissenwelten der Uralten Morla oder das wundervolle Blumengewand der Dame Aiuóla.

Lebhaft geht es auf der Bühne zu: Szene aus der Aufführung „Die unendliche Geschichte“ am Schauspielhaus Bochum.
Lebhaft geht es auf der Bühne zu: Szene aus der Aufführung „Die unendliche Geschichte“ am Schauspielhaus Bochum. © Schauspielhaus Bochum | Birgit Hupfeld

Im Schauspielhaus Bochum herrscht keine Minute Langeweile

Keine Frage: Diese „Unendliche Geschichte“ ist ein betörendes Gesamtkunstwerk, in dem Live-Musik (Jimmi Hueting), starke Gesangseinlagen, Puppenspiel, Videos und Fabelwesen wie selbstverständlich aufeinandertreffen. Es herrscht keine Minute Langeweile.

Auf der Bühne steht ein multinationales, diverses Ensemble: Tim Brockmann, Dominik Dos-Reis, Marius Huth, Victor IJdens, Rahel Johanna Jankowski, Veronika Nickl, Carmen van Mulier und Leòn Ali Çifteci schlüpfen in Dutzende Rollen, wobei van Mulier und Jankowski der meiste Raum gebührt. Die zwei Hauptdarstellerinnen spielen Basma und Atréju, die Helden der Geschichte, die bei Michael Ende noch Jungen waren. 40 Jahre später weiß man: Auch Mädchen können Helden sein!

Beiprogramm zur Aufführung

In der Vorbereitung der „Unendlichen Geschichte“ konnten Bochumer Schülerinnen und Schüler bei einem Malwettbewerb Vorschläge für die Kostüme, die in der Aufführung getragen werden sollten, einreichen.

Über 200 Einsendungen gingen ein, die schönsten werden nun im Theaterrevier des Jungen Schauspielhauses (Zeche Eins), Prinz-Regent-Straße 50-60, gezeigt. Dort kann die Ausstellung „Eine Reise durch Phantásien in Bildern“ jeweils an den Wochenenden besucht werden.

In dem Bühnenbild der Ausstellung wird auch gelesen. Schauspielerinnen des Ensembles bringen dem Publikum im Theaterrevier an vier Sonntagen (8.11., 5.12., 12.12. und 19.12.) die Stimmen von Phantásien nahe. Termine & Info: www.theaterrevier.de

Der emanzipatorische Ansatz wird von Regisseurin Colthof sogar noch weitergeführt. Die „Kinderliche Kaiserin“, im Buch ein ätherisches, mädchenhaftes Kinderwesen, ist in Bochum mit einem Mann besetzt, Dominik Dos-Reis spielt das „Mondenkind“ als Transvestit mit grotesken Zöpfen. Das mag im ersten Moment irritieren, ist aber als Mittel der Verfremdung künstlerisch nachvollziehbar.

Stehende Ovationen der Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Premiere

Wie gesagt, die Aufführung ist überwältigend, aber das gilt vor allem aus Sicht der Erwachsenen. Ob auch ein sechs- oder siebenjähriges Kind die bildmächtige, eher abstrakte Inszenierung mit ihren vielen eingewobenen Anspielungen und Botschaften versteht, muss sich zeigen. Und drei Stunden (mit Pause) sind definitiv zu lang.

Doch einerlei. Der Premieren-Applaus war überwältigend. Kleine und große Zuschauerinnen und Zuschauer feierten mit stehenden Ovationen eine Produktion, die dem hohen Anspruch des Schauspielhauses als Haus der Kunst ebenso gerecht wird wie dem Publikum in dessen Wunsch nach professioneller, fantasievoller Unterhaltung.

Termine & Tickets: www.schauspielhausbochum.de